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Sport: Neues Spiel

Wie der Basketballstar Dirk Nowitzki die Untersuchungshaft seines Mentors überstanden hat

Vier Wochen Untersuchungshaft haben bei Holger Geschwindner Spuren hinterlassen. Der Manager des deutschen Basketballstars Dirk Nowitzki sitzt in der Volkswagenhalle Braunschweig und beobachtet das Aufwärmen der deutschen Nationalmannschaft. Neben ihm hat sich Wolfgang Brenscheidt, Sportdirektor des Deutschen Basketball-Bundes, niedergelassen und wird in den nächsten zwei Stunden nicht mehr von seiner Seite weichen. Wie ein Leibwächter, der auf jemanden aufpassen muss.

Während er mit Brenscheidt redet, verspeist Holger Geschwindner eine weiche Brezel, die er bei einer Brotverkäuferin in der Halle erstanden hat. Sein schmales Gesicht ist noch schmaler geworden, seine ausgewaschene Jeans wirkt ein paar Nummern zu groß. Als ein Journalist sich neben ihm auf die Tribüne setzt, antwortet er einsilbig. Früher haben dem 59-Jährigen die Fragen Freude bereitet, langatmig breitete er seine zuweilen umstrittenen Ansichten über Basketball aus. Nun begegnet er selbst harmlosen Fragen misstrauisch. Wie geht es Ihnen? „Ich werde nichts über diese Sache sagen“, antwortet Holger Geschwindner. Später sagt er: „Das wird jetzt aber keine linke Nummer?“

Es hat sich einiges verändert im Leben des Holger Geschwindner, seit die Staatsanwaltschaft Hof gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Bis Mittwoch saß er in der Justizvollzugsanstalt Hof, nun ist der Haftbefehl aufgehoben. „Es besteht keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr mehr“, sagte sein Anwalt Dieter Hoffmann. Geschwindner soll Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Manager für Nowitzki nicht versteuert haben. Laut seinem Anwalt sind die Vorwürfe von ursprünglich rund drei Millionen Euro inzwischen auf 300 000 Euro reduziert worden. Ein Gerichtstermin droht, doch nun kann sich Geschwindner wieder um die sportliche Verfassung seines Spielers von den Dallas Mavericks kümmern. In diesem Jahr ist das sommerliche Trainingsprogramm der beiden ausgefallen. Geschwindner sagt: „Ich weiß gar nichts über seine sportliche Verfassung, ich muss erst einmal das Spiel abwarten.“

Die Antwort bekommt er schnell. Als die deutsche Mannschaft gegen Weißrussland (75:59) im ersten Viertel verunsichert beginnt, übernimmt der 2,13 Meter große Power Forward. „Er hat uns ins Spiel gebracht“, wird Bundestrainer Dirk Bauermann später sagen. Er wird schwärmen, wie fast alle, die den Würzburger zum Ball greifen sehen. „Er ist einer der fünf besten Basketballer der Welt“, sagt Bauermann, „trotzdem spielt er sogar in diesem Freundschaftsspiel mit einer unglaublichen Intensität – das schaffen nur die wenigsten.“ Die Zahlen belegen dies: 33 Punkte, elf Rebounds, 61 Prozent Trefferquote. Sportlich scheint Dirk Nowitzki die trainerlose Zeit gut überstanden zu haben, ein positives Zeichen vor der Europameisterschaft im September. Immerhin.

Die Inhaftierung des Mannes, den er als zweiten Vater bezeichnet, hat Dirk Nowitzki schwer belastet. Das bestätigt sein erster Vater, der in der Halbzeitpause vor der Halle steht und eine Zigarette raucht. „Er ist in diesem Sommer gar nicht steil gegangen“, sagt Jörg Nowitzki. „Steil gehen“ – so nennt es Dirk Nowitzki, wenn er eine Disko besucht.

Zwei Hausdurchsuchungen mussten die Nowitzkis über sich ergehen lassen. Eine bei den Eltern in Würzburg. „Zu uns kommt Dirk immer, wenn er etwas essen will, und wenn es spät wird, schläft er auch bei uns“, sagt sein Vater. Und auch Dirk Nowitzkis Wohnung im Haus seiner Schwester Silke wurde durchsucht. „Die Familie steht nach wie vor zu Holger“, sagt Jörg Nowitzki. „Alles, was er uns 1996 gesagt hat, ist zu mehr als hundert Prozent eingetroffen.“ Damals saß Geschwindner in seinem Wohnzimmer und kündigte eine große sportliche Zukunft an. In der Folge übernahm Geschwindner die alleinige Verantwortung, sportlich und geschäftlich. Letzteres scheint sich jetzt als Fehler herauszustellen.

Der Umgang mit Geld interessiere ihn einfach nicht sehr, sagen Freunde.„Holger ist ein Genie“, sagt Jörg Nowitzki, „aber er ist auch ein Schlamper.“ In Schuhkartons hatten die Steuerfahnder bei ihm Rechnungen gefunden. Eine Buchführung sei nicht existent gewesen, erzählt sein Anwalt. „Er hatte auch keinen richtigen Steuerberater“, sagt Jörg Nowitzki. Der studierte Mathematiker und Physiker managte im Nebenjob einen Sportler, der bei den Dallas Mavericks 90 Millionen Dollar in sechs Jahren verdient. „Dirk Nowitzki ist ein Betrieb“, stellt sein Vater fest. Nun reagiert die Familie. „Wir werden die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen.“ Eine davon saß in Braunschweig in einem weiten Kleid neben ihm.

Dirk Nowitzkis Schwester Silke, die gegenwärtig im achten Monat schwanger ist, wird sich künftig mit einem Anwalt und Geschwindner um die geschäftlichen Belange kümmern. Die Idee dazu hatte Geschwindner früher selber, und hat sie zum Wirtschaftsstudium nach San Diego geschickt. Zuvor hat sie für die NBA vier Jahre lang gearbeitet. Eigentlich sollte Silke Nowitzki langsam in die neue Rolle reinwachsen, nun geschieht das schneller. „Aber die Sache ist noch nicht ausgestanden“, sagt ihr Vater. Demnächst müsse Geschwindner erneut aussagen.

Am Montag nach dem Supercup aber darf er das tun, was er am liebsten macht. „Ich werde mit Dirk trainieren“, sagt er. Am Montag also wird endlich alles so sein wie früher. Und doch ganz anders.

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