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Sport: Noch ein Wunder von der Weser

Mit einer jungen Mannschaft gewinntWerder Bremen überraschend die Deutsche Meisterschaft – im Schach

Der junge Ukrainer Zahar Efimenko weiß, wie eigenwillig in der deutschen Botschaft in Kiew wirklich geprüft wird. Als er dort erstmals ein Visum beantragte, habe man seinen Angaben offenbar misstraut. Sogleich musste er in einem Nebenraum beweisen, dass er tatsächlich ein Schachgroßmeister ist, der nach Deutschland wollte, um für seinen Verein Werder Bremen in der Bundesliga zu spielen. „Es wurde ein Schachbrett geholt“, erinnert sich Efimenko. „Zuerst sollte ich die Figuren aufbauen, dann gegen jemanden spielen.“ Efimenko setzte den Botschaftsmitarbeiter schnell matt – und durfte ausreisen.

Das war vor anderthalb Jahren. Wie gekonnt der 19-Jährige die Holzfiguren bewegt, hat man inzwischen auch in der Bundesliga gemerkt. Am Sonntagabend bekam das sogar die SG Porz zu spüren, der zehnmalige Deutsche Meister aus Köln: Efimenko war einer der Matchwinner bei Werders überraschendem Sieg im Stichkampf um die Meisterschaft. Es war schon erstaunlich, dass es überhaupt zum finalen Duell in den Logen des Bremer Weserstadions kam. Vor Saisonbeginn galten die Großmeister-Ensembles von Porz und Baden-Baden als klare Titelfavoriten. Doch wie den Kölnern gelang es auch Werder, 14 von 15 Saisonspiele zu gewinnen, allein sechsmal mit 4,5:3,5 Punkten, dem knappsten aller Siege im Schach. Mit dem gleichen Ergebnis sicherten sie sich nun den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte.

Dabei waren die acht Porzer Großmeister erneut klar favorisiert, auch ohne den britischen Weltklassemann Michael Adams. Wilfried Hilgert, seit über vier Jahrzehnten Mäzen der Porzer, begründete dessen Fehlen mit sportlichen Argumenten. „Ich wollte den selben Spielern eine Chance geben, die im März gegen Werder 2:6 verloren hatten.“ Christopher Lutz, am Sonntag von allen 16 Spielern der einzige gebürtige Deutsche, hatte eine andere Erklärung, weshalb er für Adams am Spitzenbrett Platz nahm. „Michael hat pausenlos gespielt, erst die englische Meisterschaft, dann die französische, und schon am Dienstag muss er nach Sofia.“ Auch Lutz ist wie fast alle Großmeister in verschiedenen europäischen Ligen aktiv. Am Samstag hatte er noch in der französischen Liga gespielt. Anschließend flog er mit zwei Teamkollegen und einem Bremer an die Weser.

Am Sonntag kämpfte Lutz am längsten: Nach fast sechsstündiger Spielzeit reichte er seinem Gegner, Luke McShane, unter anhaltendem Beifall die Hand – das entscheidende Remis. Zwar waren die Bremer nach etwa vier Stunden in Rückstand geraten, doch Bremens Finne Tomi Nyback schaffte kurz danach den Ausgleich, als Alexander Graf, der deutsche Ranglistenerste, in ohnehin gefährdeter Lage die Bedenkzeit überschritt. Der vorentscheidende Sieg gelang dann Zahar Efimenko, der den erfahrenen 53-jährigen Rafael Waganjan in der fünften Spielstunde zur Aufgabe zwang. Die anderen fünf Partien endeten jeweils unentschieden.

Es war ein Erfolg der Jugend über die Etablierten, besonders der 19-Jährige Efimenko, der 20-Jährige Nyback und der 21-Jährige McShane hatten entscheidende Anteile. Zugleich demonstrierten sie Sympathien für ihren Verein: Nyback spielte mit einem orange-grünen Werder-Schal um den Hals, und Efimenko sagte, er sei schon als Kind ein Fan des Fußballers Marco Bode gewesen. Am Sonntag waren die Rollen vertauscht: Der Schach spielende Ex-Profi Bode schaute Efimenko aufmerksam auf die Finger.

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