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Sport: Notwendiger Luxus

Angelos Charisteas spielt bei Werder kaum – gehen darf er trotzdem nicht

Berlin - In einer nicht mehr ganz so entscheidenden Situation bewies Angelos Charisteas genau jene Unbeugsamkeit, die er in der entscheidenden Situation hatte vermissen lassen. „Lieber nicht“, sagte der Stürmer des SV Werder Bremen, als er sich zum Spiel bei Hertha BSC äußern sollte, „besser nicht“. Mehr sagte er nicht, obwohl das Kamerateam der Sportschau hart am Mann blieb.

Vermutlich war es in der Tat besser, dass Charisteas sich nicht äußerte: Nicht zur letzten Szene des Spiels, in der er seinem Berliner Gegenspieler Alexander Madlung beim Kopfballduell mit einem Katzbuckel den Treffer zum 1:1 ermöglicht hatte. Und auch nicht zu den Aussagen, die der griechische Nationaltrainer Otto Rehhagel Anfang der Woche angeblich getätigt hatte: dass der von ihm sehr geschätzte Stürmer entweder bei Bremen regelmäßig spielen oder sonst schnellstens den Verein wechseln müsse. „Ich gehe nicht davon aus, dass Otto das gesagt hat“, sagte Bremens Trainer Thomas Schaaf. „Das würde seinen Prinzipien widersprechen.“

Verbürgt ist, dass Charisteas von der Äußerung seines Nationaltrainers nicht besonders erbaut war. Der Grieche schätzt den Wirbel nicht, der jetzt wieder um seine Person gemacht wird. Zumal sich an seiner Situation auf kurze Sicht wohl nichts ändern wird. „Wir haben keinen Grund, einen Spieler abzugeben“, sagte Trainer Schaaf.

Im Olympiastadion hat Angelos Charisteas den bisherigen Verlauf der Saison noch einmal im Schnelldurchgang erlebt – und durchlitten. Zehn Minuten nach seiner Einwechslung erzielte er das 1:0 für Werder, weitere zehn Minuten darauf ermöglichte er den Berlinern durch sein mangelhaftes Zweikampfverhalten den Ausgleichstreffer. Ähnlich wechselhaft sind für Charisteas auch die vergangenen vier Monate verlaufen. Als er im Juli aus dem Urlaub nach Bremen zurückkehrte, war er der EM-Held, der Griechenland zum Europameister geköpft hatte; in Bremen aber sitzt Charisteas – wie vor der EM – wieder nur auf der Ersatzbank.

Der 24-Jährige ist zurzeit die Nummer vier unter den Bremer Angreifern. Kein Stürmer hat bei Werder in dieser Saison weniger gespielt als der Grieche. Auf gerade 286 Spielminuten kommt Charisteas in Bundesliga und Champions League, nur ein einziges Mal hat er von Anfang an gespielt. Nelson Valdez stand immerhin viermal in der Startelf, Miroslav Klose 13-mal und Ivan Klasnic 15-mal. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Kroate Klasnic bei der EM nicht eine einzige Minute spielen durfte, Charisteas hingegen bei jedem Spiel in der Startelf stand.

Dass der Grieche bei Werder auf der Bank sitzt, ist der notwendige Luxus, den sich die Bremer zurzeit leisten können. Gegen Hertha holte Schaaf Klose und Klasnic vom Platz, brachte den zweiten Sturm Valdez/Charisteas und musste doch keine Qualitätseinbuße befürchten. Für Werders Trainer ist das eine beruhigende Erkenntnis – gerade jetzt, da sich nach sieben Spielen in drei Wochen die Belastung aus drei Wettbewerben langsam bemerkbar macht. „Wir waren sehr müde“, sagte Verteidiger Valerien Ismael.

Die Bremer sind nicht die erste Mannschaft, die zwischen dem Alltagsgeschäft Bundesliga und der Festveranstaltung Champions League gefangen ist. In aller Regel leidet der Alltag darunter. Gegen Anderlecht, vier Tage zuvor, rackerten die Bremer bis zum Schluss, erzielten in der letzten Viertelstunde noch zwei Tore, obwohl sie bereits 3:1 führten; gegen Hertha fehlte dafür in der Nachspielzeit die Konzentration. „Wir haben den Sprung nach oben verpasst“, sagte Torhüter Andreas Reinke. Trotzdem fände er es komisch, die erhöhte Belastung für die Schwierigkeiten in der Liga verantwortlich zu machen: „Dass es anstrengend wird, das wussten wir vorher.“

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