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Der Kurs entscheidet. Da die Yachten bis zur kleinsten Schraube baugleich sind, sind die Navigatoren umso wichtiger.

© dpa

Ocean Race: Neuland im Indischen Ozean

Am Samstag geht in Abu Dhabi die zweite Etappe beim Ocean Race zu Ende. Sie war ein Stresstest.

Es ist das erwartete Kopfrennen der Navigatoren geworden. Die sitzen unter Deck, vor ihrem Bildschirm, studieren Wetterkarten und wägen ihre Optionen ab. Ein Fehler kann niederschmetternde Folgen haben. Wie schlimm, hat die Crew von Vestas Wind vorgeführt bekommen. Die ist mitten im Indischen Ozean gestrandet, ihr Verbleib im Ocean Race ungewiss.

Am Samstag entscheidet sich erstmal in Abu Dhabi, wer die zweite Etappe gewinnt. Es ist äußerst knapp, bis zuletzt. Nach 5000 Meilen lagen die drei führenden Boote unter der Glutglocke Arabiens nur wenige Meilen auseinander. Schon bei der ersten Etappe nach Kapstadt kam die führende Yacht Azzam aus Abu Dhabi weniger als eine halbe Stunde vor Dongfeng aus China an. Nach vier Wochen, die sie unterwegs gewesen waren.

Weil die Yachten beim Ocean Race diesmal bis auf die kleinste Schraube baugleich gegeneinander antreten, hat kein Team technische Geschwindigkeitsvorteile. Seglerisches Können allein macht den Unterschied. Wie schwer dabei ein Fehler des Navigators wiegt, weiß das weit zurückgefallene spanisch-französische Mapfre-Team. Es hatte auf der ersten Hälfte der Wegstrecke dominiert, bis sich der neu verpflichtete Navigator Jean-Luc Nélias zu einem Schlenker nach Osten entschied. Auf diese Weise wollte er die sich vor ihm ausbreitende Flautenzone umschiffen. Aber das war ein Missgriff. Und plötzlich lag man 140 Meilen zurück.

Die Leistungsdichte der sieben Schwesterschiffe hat aus dem Ocean Race eine intensive, taktisch höchst anspruchsvolle Hochseejagd gemacht. Bei der geht es nicht viel anders als auf dem Wannsee zu. Um jeden Meter wird gekämpft, die Konkurrenz ständig argwöhnisch beäugt. Mit einsetzender Dunkelheit beginnen die Tricksereien. Die mit acht Personen relativ spärlich besetzten Crews, die von einem Bordreporter begleitet werden, stoßen dabei ständig an ihre Belastungsgrenzen. So jammert Stacey Jackson, Mitglied der Frauenriege auf SCA, dass sie die anderen Yachten nicht sehen könne, was es „ein bisschen härter“ für sie mache. In der Vergangenheit war Blickkontakt auf den Weltmeeren ein Ausnahmefall. Jetzt vermissen ihn die Segler schon.

Die Tücken des wochenlangen Dauerstresses zeigten sich am Abend des 29. November. Mit einer Geschwindigkeit von 19 Knoten, umgerechnet 35 Stundenkilometern, krachte die hellblaue Vestas Wind auf ein Korallenriff 230 Meilen nordöstlich von Mauritius. Navigator Wouter Verbraak hatte es in seinen elektronischen Seekarten schlicht übersehen, da er die falsche Zoom-Stufe eingestellt hatte. Das Video von der Havarie zeigt, wie die Segler die Brandungszone in der Dunkelheit ausmachen, aber vom Navigator die beruhigende Antwort erhalten, dass das Wasser 40 Meter tief sei.

Im nächsten Augenblick rummst es, und jemand schreit; „Felsen, ich kann Felsen erkennen!“

Der Unfall war Folge einer systematischen Überforderung. Der 39-jährige Verbraak kannte diesen Teil des Indischen Ozeans trotz seiner Erfahrung kaum. Nur das Volvo Ocean Race führt durch diese Region, die bis vor kurzem noch als Piratengebiet berüchtigt war. Bei seinen Vorbereitungen konzentrierte sich der Niederländer deshalb nur auf die naheliegendsten Kurse. Doch das Rennen nahm einen anderen Verlauf, er musste umdisponieren und nahm sich nicht die Zeit, genauer nach den Inseln zu sehen, die seit den Tagen der niederländischen Ostindiensegler als Cargados-Carajos-Archipel bekannt sind und direkt vor ihm auftauchten. „Wir haben einen schweren Fehler gemacht“, gab Verbraak zu, „aber danach keinen einzigen mehr.“

Die Mannschaft um Skipper Chris Nicholson überstand die Nacht unbeschadet auf einem von den Wellen hin und her geworfenen und sich in seine Bestandteile zerlegenden Boot, sie brachten am nächsten Morgen sich sowie wichtige Ausrüstung in Sicherheit und sie machten durch Videoaufnahmen das Ausmaß des Fehltritts transparent. Noch liegt das Wrack auf der Sandbank, während Vestas erwägt, das bis Juni nächsten Jahres terminierte Rennen mit einem neuen Boot fortzusetzen. Ob es das wert ist? Selten war ein Hochseerennen so unterhaltsam. Nicht nur, dass es durch meteorologische Extremregionen führt, im arabischen Raum die windlose Hitze, in der fernöstlichen Inselwelt die Taifune. Für die Navigatoren wird das noch mehr Stress bedeuten.

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