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Olympia 2008: Armbänder für den Frieden

Die Debatte um die Olympischen Spiele in Peking: Welcher Protest ist sinnvoll, welcher kommt an? Deutsche Sportler erwägen Aktionen gegen Chinas Tibetpolitik – allerdings mit Maß.

Berlin - 5000 Leute protestierten, Manfred Thiesmann weiß es noch genau. 5000 Leute in der Dortmunder Westfalenhalle, viele davon Sportler, der Rest Sportfans. Vereint in einem Gedanken: Der Olympiaboykott von Moskau ist falsch. Thiesmann war damals, 1980, noch Dortmunder Vereinstrainer, aber vier seiner Schwimmer waren für Moskau nominiert, Thiesmann wäre also auch mitgefahren. Und zwei seiner Sportler hatten die Protestveranstaltung maßgeblich mitinitiiert. Es nützte nur nichts. Der Protest nicht, aber, sagt Thiesmann, der Boykott ja auch nicht. „Er hatte niemandem etwas gebracht.“

Jetzt ist Thiesmann Bundestrainer der deutschen Schwimmer, und er denkt immer noch gleich. „Ich glaube, es bringt viel mehr für die Menschenrechte, wenn wir mit tausenden Sportlern, Funktionären, Trainern und Fans nach Peking fahren und dort mit Menschen ins Gespräch kommen.“

Thiesmann steht mit seiner Haltung für viele, für Sportler und Trainer. Sie alle denken so. Boykott, bitte nicht. Aber wegschauen bitte auch nicht. Die Frage ist vielmehr: Wie reagiert man am wirkkungsvollsten auf die Unruhen in Tibet? Herbert Czingon, der Bundestrainer der deutschen Stabhochspringerinnen, sagt: „Die Idee, bei der Eröffnungsfeier etwas zu machen, finde ich wesentlich besser als einen Boykott.“ Anna Battke, seine Athletin, schlägt zum Beispiel vor, dass sich Athleten als tibetische Mönche und chinesische Regierungsbeamte verkleiden. Dann könnten sie sich symbolisch die Hand reichen.

Sebastian Biederlack, Hockey-Nationalspieler und Olympiadritter von 2004, sagt: „Bei einer weiteren Eskalation käme auch der Sport wohl nicht umhin, in irgendeiner Form Flagge zu zeigen. Als Sportler müsste man sich dann überlegen, ob und inwiefern man einen Beitrag zur Förderung der Menschenrechte leisten kann.“ Die Menschenrechtsdiskussion in China müsse auf alle Fälle vorangebracht werden. Aber, sagt Politikstudent Biederlack auch, „in der Hockey-Mannschaft gibt es keine Pläne für irgendwelche Aktionen“. Noch nicht.

So sieht es auch Sebastian Schulte, Mitglied des Deutschland-Achters und Aktivensprecher des Deutschen Ruderverbands. „Ich halte es für verfrüht, jetzt über die Form eines Protestes nachzudenken. Wir Ruderer aus dem Achter müssen erst mal sicherstellen, dass wir für den Olympia-Achter nominiert werden. Das mag egoistisch klingen, aber so ist nun mal die sportliche Realität.“

Es geht um den Sport, zu allererst, es geht um die Qualen, die Schmerzen, das harte Training, den Preis, den sie alle für ihr Hobby oder ihren Job bezahlen müssen. Das sagen viele Sportler, vermutlich denken fast alle so. Christian Blum zum Beispiel, der Deutsche Meister über 100 Meter denkt ganz sicher so. „Die Tibet-Bilder machen mich natürlich betroffen, klar. Aber ich muss mich auf den Sport konzentrieren. Wenn ich die Menschenrechte in den Mittelpunkt meines Denkens stellen würde, könnte ich mich nicht mehr auf den Sport konzentrieren.“ Ein Boykott? „Das wäre die schlechteste Lösung.“ Und, bitte, „vor sieben Jahren, als die Spiele nach Peking vergeben wurden, da war auch schon klar, dass in China Menschenrechte missachtet werden“.

Es ist ein Grundsatzproblem. In der Sekunde, in der man die Spiele in ein Land wie China vergibt, lautet die Frage ja nicht: Kommen Proteste? Sondern: Wann kommen sie? Und deshalb ist einer wie Schulte ja auch auf der Linie von Thiesmann, dem Schwimm-Bundestrainer: „Allein die Tatsache, dass die Spiele in China stattfinden, stellt eine Chance dar, dass sich das Land ein wenig öffnet.“ Und „wenn sich der Gewinner des 100-Meter-Laufs nach seinem Sieg zu den Menschenrechten äußert, will ich erst mal sehen, dass ihn das Internationale Olympische Komitee nach Hause schickt“. Danny Ecker, der Weltklasse-Stabhochspringer, ein klarer Boykottgegner, ist eher für die symbolischen Gesten. Athleten könnten zum Beispiel Armbänder gegen die Unruhen tragen. Ein stiller Protest, mit dem die Athleten ihre Haltung zeigen könnten. „Da bin ich dabei“, sagte der Sechs-Meter-Springer Ecker der dpa.

Manfred Thiesmann bedauert noch heute, dass er damals nicht dabei war, 1980 in der Westfalenhalle, bei dem Protest der 5000. „Ich hatte leider einen Termin, den ich nicht verschieben konnte.“

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