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Olympia in den Medien: Nervöse Zone

Nach zwei Wochen ziehen die internationalen Journalisten eine zwiespältige Bilanz der Spiele von Peking

Für manche Olympiajournalisten zählte der Fitnessraum zu den Höhepunkten der Olympischen Spiele. Weil er nur zehn Meter neben den Arbeitsplätzen im Hauptpressezentrum lag, konnten sie zwischen zwei Texten auf Crosstrainer steigen oder Hanteln stemmen, duschen, und sich sofort wieder vor den Computer setzen. Andere begeisterten sich für den daneben gelegenen Massageraum oder das Open-Air-Café im dritten Stock. Tatsächlich haben die am Sonntag zu Ende gegangenen Olympischen Spiele von Peking den akkreditierten Journalisten sehr viele Annehmlichkeiten geboten – wenn sie sich im Olympischen Areal aufgehalten haben. Insgesamt fällt die Bilanz der olympischen Spiele aus journalistischer Sicht jedoch zwiespältig aus: „Organisatorisch waren sie perfekt“, sagt Christian Ewers, Sportredakteur des „Stern“, „aber die Liberalität bezog sich nur auf die Olympischen Spiele, sobald man mit dem wahren Leben in der Stadt in Berührung kam, sah es anders aus.“ Der Klub der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) meldet für die Zeit der Olympischen Spiele 30 Störungen der journalistischen Arbeit, 20 weitere Fälle werden noch untersucht. Der FCCC-Präsident bewertet deshalb die Zeit der Olympischen Spiele kritisch. „Die chinesische Regierung hat es in Sachen Medienfreiheit nicht aufs olympische Podest geschafft“, sagte Jonathan Watts in einer Erklärung, „aber es gibt eine Basis, auf der man aufbauen kann.“ So gewährt die chinesische Regierung den ausländischen Journalisten seit 2007 mehr Recherchefreiheit. Zuvor hatten sie sich anmelden müssen, wenn sie in chinesischen Provinzen recherchieren wollten. Die Regelung läuft im Oktober 2008 aus, noch ist fraglich, ob sie beibehalten wird. Gestern waren weiterhin jene Internetseiten offen, die China vor Beginn der Spiele entsperren musste, nachdem das Internationale Olympischen Komitee (IOC) interveniert hatte. Trotzdem blieben viele Seiten nicht erreichbar, die über Themen berichten, die China als sensibel betrachtet. „Die große Mehrheit der Journalisten konnte hier ihre Arbeit machen“, sagte IOC-Sprecherin Giselle Davies dennoch. „Wir haben die Journalisten ermutigt, Internetseiten zu identifizieren, die sie für ihre Arbeit benötigen und sie dem Organisationskomitee zu melden.“ Vom freien Internetzugang, wie das IOC es vor Monaten versprochen hatte, war nicht mehr die Rede. Während Journalisten in den Olympischen Stätten bevorzugt behandelt wurden, hat RTL-Korrespondentin Pia Schrörs in der Stadt eine große Anspannung unter Sicherheitskräften und Zivilpolizisten ausgemacht. „Die Nervösität war viel größer als sonst, jeder Polizist hatte Angst, dass etwas passiert“, sagte Schrörs. „Ständig wurde die Kamera von Zivilpolizisten angefasst oder weggeschlagen, sogar als wir nur ein paar Skorpionspieße in der Einkaufsstraße Wangfujing gedreht haben.“ Das IOC bewertet diese Ereignisse als Einzelfälle. „Wir hatten in den letzten Wochen bis zu 30 000 Journalisten in der Stadt“, sagte Sprecherin Davies. „In den allermeisten Fällen gab es keine Vorfälle.“ Vor allem nicht im Fitness- und Massageraum. Benedikt Voigt, Peking

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