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Sport: Olympia unter Vorbehalt

Das NOK will vor Gericht verhindern, dass Trainer Ingo Steuer zum Team für Turin gehört

Berlin - Gegen 16.15 Uhr erhielt Ingo Steuer gestern eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Er, der Trainer des Chemnitzer Eiskunstlauf-Paares Robin Szolkowy/Aljona Sawtschenko, wird für die Olympischen Spiele in Turin gemeldet. Die schlechte: Das Nationale Olympische Komitee (NOK) will vor Gericht verhindern, dass er als Mitglied des Olympiateams nach Turin fährt. Das NOK legt Widerspruch gegen eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin ein. Das Gericht hatte veranlasst, dass der 39-Jährige nach Turin darf, obwohl er Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war und deshalb aus dem Olympiateam ausgeschlossen werden sollte. Doch die Richter hatten nur Steuer gehört. Weil nach Ansicht des NOK die Beurteilung von Steuers Stasi-Mitarbeit „eindeutig ist“, wollen die Funktionäre ihre Argumente in einer mündlichen Verhandlung darlegen. Der Meldeschluss für das deutsche Olympiateam endete allerdings schon gestern um 24 Uhr.

„Das ist der Todesstoß für die Sportler“, sagte Steuer. „Was mit mir passiert, ist Wahnsinn.“ Nach Angaben des Sportinformationsdienstes möchte die Deutsche Eislauf-Union (DEU) unbedingt, dass Steuer auf jeden Fall in Turin ist, notfalls als Privatperson. Dies habe DEU-Sportdirektor Udo Dösdorf bestätigt. Fest steht: Von einem anderen Trainer als Steuer werden Szolkowy/Sawtschenko in Turin auf keinen Fall betreut. Unklar ist die Haltung der gebürtigen Ukrainerin Sawtschenko, die erst seit kurzem den deutschen Pass besitzt. Nachdem es Meldungen gegeben hatte, dass sie auch ohne Steuer nach Turin fahre, sagte sie am Montag der „Freien Presse“ in Chemnitz, dass sie ohne ihn auf keinen Fall bei Olympia starte. Gestern war sie nicht zu erreichen.

Johannes Wehr, Vorsitzender des Sächsischen Eissportverbandes, wäre verärgert, wenn Sawtschenko auf Turin verzichtete. „Das wäre für alle ein Schlag ins Gesicht, die sich intensiv für ihre Einbürgerung eingesetzt haben“, sagte er, „wir haben ihr klar gesagt, dass ein Olympiaverzicht inakzeptabel ist. Wir gehen davon aus, dass sie startet.“ Sawtschenko wohnt kostenlos in einer Wohnung, die dem Sächsischen Verband gehört.

Klaus Steffan hat Verständnis für die 21-Jährige. „Ein Sportler hat ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einem Trainer. Den kann man ihm nicht einfach nehmen“, sagte der Chef des Chemnitzer Eislaufvereins. Der Klub hat mit Sawtschenko einen Arbeitsvertrag, damit sie krankenversichert ist. Sie ist auch vom Vereinsbeitrag (120 Euro im Monat) befreit.

Steffan hält die Aufregung über Steuers Stasi-Kontakte für übertrieben. „Das ist jetzt viele Jahre her. Steuer war jung.“ Zudem sei es üblich gewesen, dass die Stasi vor West-Reisen von Sportlern Informationen über die betreffenden Athleten eingezogen habe, auch bei Teamkollegen. „Jeder hat gewusst, dass man andere fragt: Kann man den in den Westen lassen?“

Die Stasi habe Steuer als IM „Torsten“ geführt, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Demnach habe sich Steuer 1985 handschriftlich zu einer Mitarbeit verpflichtet. Das letzte Treffen habe am 10. November 1989 stattgefunden. Unter den Ausgehorchten soll auch die zweimalige Olympiasiegerin Katarina Witt sein.

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