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Gastfreundschaft auf Japanisch. Kinder begrüßen den Vorsitzenden der IOC-Evaluierungskommission.

© AFP

Olympische Spiele 2020: Tokio schmälert seine Chancen

Mit fragwürdigen Äußerungen über Konkurrent Istanbul mindert Tokios Gouverneur die Aussicht auf Olympia 2020. Damit stehen die Chancen der türkischen Metropole besser als je zuvor.

Bedenken habe er eigentlich keine. „Wirklich nicht. Ich bin froh, das sagen zu können“, antwortete Tsunekazu Takeda gelassen und blickte beinahe gelangweilt drein, nachdem ihm ein Journalist diese offenbar blöde Frage gestellt hatte. Der Präsident des Tokioter Bewerbungskomitees sei sich sicher, dass die Unterlagen seiner Stadt die besten sein werden, wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) in rund vier Monaten entscheidet, wo die Sommerspiele 2020 stattfinden. „Wir haben unsere letzte Bewerbung für 2016 grundsätzlich beibehalten und nur punktuell Verbesserungen vorgenommen.“ Aus den damaligen Schwachstellen seien nun Stärken geworden. Wie solle man da noch Zweifel haben?

Viele Beobachter sehen das anders. Ende April löste Tokio einen mittelschweren Skandal aus. In einem Interview mit der „New York Times“ hatte Tokios Gouverneur Naoki Inose den Mitbewerber Istanbul als ungeeignet und unterentwickelt bezeichnet. In der Türkei müsste noch zu viel an neuer Infrastruktur gebaut werden. Über muslimische Länder generell wusste Inose zu berichten: „Das Einzige, was sie gemein haben, ist Allah, dass sie sich gegenseitig bekriegen und (soziale) Klassen haben.“ Indirekt sagte er auch, Tokio sei gastfreundlich, andere Bewerber – also Madrid und Istanbul – nicht.

Seit mehr als zwei Wochen wird in Japan nun darüber diskutiert, ob diese diffamierenden Äußerungen Tokios Chancen auf die zweite Ausrichtung der Olympischen Spiele nach 1964 zunichte gemacht haben. „Herr Inose versteht es nicht“, schrieb die „Japan Times“. Japans größte Tageszeitung, „Yomiuri Shimbun“, kommentierte, die Äußerungen zeigten „einen Mangel an Respekt für andere Kulturen“ und fragte, ob sich Tokio von diesem Fauxpas noch erholen wird. Denn Inose, der auch Mitglied des Bewerbungskomitees ist, hat die Statuten des IOC verletzt, die negative Äußerungen über Mitbewerber verbieten.

„Wir versprechen, ab jetzt nie wieder die Regeln zu brechen“, versicherte Tsunekazu Takeda am Freitag und mimte Überzeugung. Seit Inoses Patzer betont Takeda, der Japan 1972 in München und 1976 in Montreal als Springreiter vertrat und heute Präsident des Nationalen Olympischen Komitees ist, die zweifellos positiven Seiten seines Konzepts. Tokio würde die ersten Spiele veranstalten, bei denen fast alle Sportarten in der Innenstadt ausgetragen werden. Zudem bestehe das Gros der Infrastruktur bereits, die Spiele sollen umweltschonender werden als die vorherigen, die Finanzierung sei gesichert und Tokio bekannt für seinen hohen Grad an Sicherheit. Zudem befürworten mittlerweile mehr als 70 Prozent der Japaner die Bewerbung. Überall in Tokio sind Banner und Werbefilme zu sehen, viele Einwohner tragen Anstecknadeln mit dem Logo von „Tokyo 2020“.

An der Fähigkeit der japanischen Hauptstadt, die Sommerspiele zu stemmen, wurden vom IOC nie Zweifel geäußert. Allerdings könnte die Politik ein Problem sein. Unabhängig von Inoses Patzer verfügt Japan wohl nicht nur über Fürsprecher. Seit der Nationalisierung der Senkaku-Inseln (Chinesisch: Diaoyu-Inseln) im September, auf die auch China und Taiwan Anspruch erheben, besteht ein hitziger Territorialkonflikt zwischen diesen Ländern. Mit Südkorea streitet sich Japan um die Liancourt-Felsen im Japanischen Meer. Es gilt als zweifelhaft, ob diese Länder, von denen China und Südkorea mit jeweils mehr als einem Mitglied im IOC vertreten sind, für Tokio stimmen werden. Die Abstimmungen über die letzten Spiele waren knapp, jede Stimme könnte zählen.

Weil Madrid nicht zuletzt wegen seiner wirtschaftlichen Krise geringe Chancen eingeräumt werden, scheint die Entscheidung zwischen Istanbul und Tokio zu fallen. Tokio bewirbt sich zum zweiten Mal hintereinander und ist bisher Favorit der Buchmacher. Für Istanbul ist es der fünfte Anlauf, noch nie haben Olympische Spiele in einem muslimischen Land stattgefunden. Naoki Inose beteuert nun, er habe nur sagen wollen, dass der Islam allein kein Grund für die Vergabe des Austragungsrechts sein dürfe. Istanbul sei „eine meiner Lieblingsstädte“. Dort hat man eine Entschuldigung aus Tokio offiziell akzeptiert, wie auch Tsunekazu Takeda bestätigt. Selbst wenn Takeda keine Zweifel hat, dürfte man sich in Istanbul gefreut haben. Nach einer Rüge für Tokio durch das IOC stehen die Chancen für die ersten Spiele in der Türkei besser als je zuvor.

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