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Sport: Olympische Unruhe

Elf Monate vor den Winterspielen in Turin muss sich das Organisationskomitee erneut polizeiliche Durchsuchungen gefallen lassen

Auf dem Anfängerhügel in Bardonecchia muss man schon genauer suchen, um die Spur eines künftigen Großereignisses zu entdecken. Der einzige Hinweis findet sich auf dem Boden vor dem Lifthaus, wo sich in diesen Tagen Ski- und Snowboard-Novizen drängeln und versuchen, ihre Nervosität vor einem Sturz bei der ersten Bergfahrt mit dem Tellerlift zu überspielen. In ihrer Aufregung dürften viele das weiße Fähnchen übersehen, das vor ihnen im Kunstschnee steckt. Dabei wäre die Aufschrift durchaus geeignet dazu, den Betrachter stutzig zu machen: Torino 2007 steht dort geschrieben.

Haben sich die Italiener um ein Jahr verrechnet? 10. bis 26. Februar 2006 lautete doch bislang der Termin für die Olympischen Winterspiele in Turin. Oder brauchen die Organisatoren womöglich für die Vorbereitung mehr Zeit, zuletzt hatten sich die Nachrichten gehäuft, dass die Infrastruktur noch einiger Baumaßnahmen bedürfe? Mit der Jahreszahl auf dem Fähnchen hat es jedoch seine Richtigkeit, sie weist auf die Winteruniversiade hin, die ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Turin stattfindet. Ein Ereignis allerdings, das angesichts der immer näher rückenden Spiele hintenanstehen muss.

Am Beispiel Bardonecchia lässt sich der Stand der Vorbereitungen für die Olympischen Winterspiele 2006 darstellen. In der kleinen Stadt kurz vor der französischen Grenze werden im Februar 2006 die Snowboard-Wettbewerbe ausgetragen. Außerdem wird sie eines der drei olympischen Dörfer für die Athleten beheimaten. Neben den Snowboardern sollen Biathleten und die Ski-Freestyler dort wohnen. Allerdings fehlt es in Bardonecchia an Platz für den großen Betreuerstab dieser Sportarten. „Unsere Fachverbände haben sich deshalb rechtzeitig nach Privatunterkünften umgesehen“, sagt Klaus Steinbach. Die zahlreichen Privatquartiere sind ein Grund dafür, dass die Spiele in Turin für das Nationale Olympische Komitee Deutschlands ähnlich teuer werden wie die Spiele in Salt Lake City. „Und das trotz der räumlichen Nähe, das ist schon ein Phänomen“, sagt Steinbach.

Es läuft ohnehin einiges nicht gut für die Winterspiele in Turin. Am Donnerstag haben Beamte der italienischen Finanzpolizei erneut die Büroräume des Turiner Organisationskomitees Toroc durchsucht. Die Beamten forschen seit Monaten nach Unregelmäßigkeiten bei den Finanzen. Sie verhörten auch den zu Beginn der vergangenen Woche zurückgetretenen Toroc-Generaldirektor Paolo Rota. Doch bislang ist, wie der Toroc-Präsident Valentino Castellani betonte, „kein Strafverfahren“ eröffnet worden.

Immer wieder flammt ein politischer Streit zwischen der rechten Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi und der Linken auf, welche die Stadt Turin regiert. Als die Regierung den Staatssekretär Mario Pescante als Aufseher installierte, bot der ehemalige Turiner Bürgermeister und Toroc-Chef Valentino Castellani sogar seinen Rücktritt an. Zuletzt aber half die Regierung mit 80 Millionen Euro Soforthilfe, ein Finanzloch im 1,2 Milliarden-Euro-Etat zu stopfen.

Dass gegenwärtig viel Geld bewegt wird, ist auf der Zugangsstraße nach Bardonecchia zu sehen. Auf der einspurigen Straße versperren mehrere Schwertransporter den Weg. Die Strecke wird umgebaut. Die größten Transportprobleme werden jedoch entlang der einspurigen und kurvigen Zugangsstraße nach Sestriere befürchtet, wo die meisten Wintersportarten stattfinden. Der ehemalige Hotelkomplex, der künftig 700 Athleten und Betreuer in Bardonecchia beheimaten soll, ist von Kränen umstellt. „Im Frühjahr 2005 sind wir fertig“, sagte Gian-Marco Peri optimistisch. Der Komplex ist in den Dreißigerjahren gebaut worden und diente unter den Faschisten als Ferienanlage, berichtet Peri. Nun werden Athleten darin wohnen.

Auch die Halfpipe für die Snowboarder im Vorort Melezet existiert bereits, ist aber zum Leidwesen der Freizeitfahrer geschlossen. „Wir werden die Pipe etwas verlängern“, sagt Peri, „das waren die Wünsche nach dem Testevent.“ Die nackte Strecke für den Parallel-Riesenslalom und den Boarder-Cross ist ebenfalls vorhanden, mehr aber auch nicht. Die Tribünen für die 7600 Zuschauer sollen spätestens bis Januar 2006 stehen.

Es gibt ohnehin nur wenige Einrichtungen, die bereits jetzt, elf Monate vor den Olympischen Spielen, fertig und für den Publikumsverkehr geöffnet sind. Einer davon ist auf dem Turiner Flughafen Caselle zu finden: der Olympic-Store.

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