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Sport: Pariser Blues

Die Tennisszene sucht bei den French Open Andre Agassis Nachfolger als charismatischen Helden

Eine Frage zu Beginn: Was haben die Herren Costa, Ferrero und Gaudio gemeinsam? Tennis wäre schon einmal richtig, und sonst? Sie haben alle drei schon die French Open gewonnen. Das haben sie sogar den großen Tennis-Legenden McEnroe, Sampras oder Becker voraus. Dennoch haben sich die drei noch nicht dauerhaft ins Gedächtnis der Zuschauer spielen können. Vielleicht, weil ihnen ein exzentrischer Auftritt fehlt oder eine aufregende Spielweise.

Die Siegerliste der French Open der Jahre 2002 bis 2004 ist also vor allem etwas für Tennisexperten, weil sie sich noch kein Attribut erarbeitet haben, das über ihr zweifellos ausgezeichnetes Tennisspiel auf dem Sandplatz hinausreicht. Ihnen ist auch noch kein Heldenstück gelungen wie etwa Michael Chang, dem kleinen US-Amerikaner, der 1989 im Achtelfinale der French Open Ivan Lendl in einem dramatischen Fünf-Satz-Spiel bezwang und dabei aus lauter Verzweiflung am Ende den Aufschlag von unten servierte.

Überhaupt schien die Zeit bis Ende der Neunzigerjahre die Epoche der großen Tennis-Persönlichkeiten zu sein. Aus ihrer Generation ist nur einer übrig geblieben: Andre Agassi. Er ist der letzte Rock’n’Roller der Tennisszene. Doch auch seine Zeit neigt sich dem Ende zu. Agassi hat bei den diesjährigen French Open Jarkko Nieminen in Runde eins zu Fall gebracht – ein finnischer Qualifikant. Das ist dem 35 Jahre alten US-Amerikaner aus Las Vegas bereits im vergangenen Jahr passiert. Aber diesmal war die Niederlage bitterer. Denn er weiß nicht, ob er wiederkommt zum Tennisspielen nach Paris. Am liebsten hätte er aufgegeben. „Ich weiß nicht, warum ich es nicht gemacht habe, aber ich wollte so nicht aufhören“, sagte Agassi frustriert, der irgendwann nur noch über den Platz humpelte. Auf der Bank vergrub er sein Gesicht so tief im weichen Frotteehandtuch, als wolle er seine Schmerzen hineinpressen. Agassi hatte die French Open 1999 gewonnen, damals im Finale siegte er gegen Andrej Medwedew. Roland Garros 2005 war sein 58. Grand-Slam-Turnier – das ist neuer Rekord in der Tennisszene.

Aus dem einstigen Jugendidol ist längst ein gesetzter Herr geworden. Die bunten Hemden hat er gegen das klassische Weiß getauscht, die grauen Stoppeln seines Drei-Tage-Barts scheinen von Match zu Match mehr zu werden. Die vielen kleinen Trippelschritte, die ihn so flink gemacht haben, kann er nur noch vorführen, wenn er frisch ist. Der Ischias macht ihm zu schaffen. Die Schmerzen ziehen bis ins Bein. Seit Jahren wird bereits über sein Karriereende spekuliert, doch er will es noch nicht verkünden. Wimbledon will er spielen – wenn es geht. „Und am Ende des Jahres werde ich genau überlegen, wie es weitergeht“, sagt Agassi. Das Ende des Rock’n’Roll ist nahe.

Nun sucht die Tennisszene seinen Nachfolger. Doch im Gegensatz zu den Damen, bei denen Maria Scharapowa schon mit gutem Aussehen punkten kann, sucht man bei den Herren der Szene vor allem nach Charisma. Noch aber fehlen solche Typen. Selbst die Ballkinder in Roland Garros müssen bei ihrer Suche nach einem Autogramm oft erst im Roland-Garros-Magazin nachblättern, um zu wissen, wer da eigentlich vor ihnen steht. Agassis Nachfolger auf dem Platz spielen zum Teil tolles und mitreißendes Tennis, doch abseits des Platzes überzeugen sie noch nicht. Beste Aussichten, Thronfolger von Andre Agassi zu werden, hat Roger Federer. Er dominiert seit eineinhalb Jahren die Tennisszene. Er spricht mehrere Sprachen fließend. Und trotzdem fehlt ihm ein noch kleines Stück zum ganz großen Ruhm. Es ist wohl das Unverwechselbare. Denn was ist eigentlich typisch Federer?

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