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Sport: Rallye über die Weltmeere

Von Vigo nach Kapstadt und dann einmal um die Erde: Das Volvo Ocean Race geht auf die erste Etappe

Berlin - Die Stürme nehmen an Stärke und Häufigkeit zu, Trockenperioden an Dauer. Man möchte sich in seine vier Wände zurückziehen und beten, dass sie den Launen des Wetters standhalten. Doch ein paar Menschen gibt es, die können gar nicht genug bekommen von Wind und hohen Wellen. Nennen wir sie Klimapiloten. Denn sie bereisen sämtliche Wetterzonen des Globus und versuchen, sich deren Tücken zu Nutze zu machen, um am schnellsten einmal um die Erde zu rasen, zumindest um deren nassen Teil. Am Sonntag wird im spanischen Vigo das Volvo Ocean Race gestartet – das härteste Rennen, dem sich Mannschaften im Hochseesegeln aussetzen können. In der ersten von neun Etappen, in denen die sieben gemeldeten Boote den Erdball umrunden und am Ende etwa 32700 Meilen zurückgelegt haben werden, geht es nach Kapstadt. Von dort nach Melbourne und via Neuseeland und Kap Horn herum nach Rio de Janeiro. Danach werden die USA und England angelaufen.

Vor vier Jahren fand die Rallye über die Weltmeere zum letzten Mal statt. Damals gewann die deutsche „Illbruck“ unter Skipper John Kostecki, der die neongrüne 19-Meter-Yacht vor 350000 Zuschauern in Kiel über die Ziellinie steuerte. Seitdem hat die traditionsreiche Regatta, die vormals unter dem Namen „Whitbread Round The World Race“ firmierte, einschneidende Veränderungen erlebt. So rang man sich zu einem neuen Reglement durch und ließ einen größeren Bootstyp entwerfen. Die so genannte „Volvo Open 70“- Klasse ist bei gleichem Gewicht zwei Meter länger als der Vorgängertyp, kann aber bis zu 60 Prozent mehr Segelfläche tragen. Das bedeutet, dass der neue Bootstyp Schätzungen zufolge für denselben Weg 21 Tage weniger benötigen wird. Wie viel Kraft in den von weltbekannten Designern wie Bruce Farr und Juan Kouyoumedijan gezeichneten Rennmaschinen steckt, bewies die „Moviestar“ aus Spanien. Bei einer Vorbereitungsfahrt schaffte sie mit 530 Meilen einen neuen 24-Stunden-Rekord; das entspricht etwa der Distanz von Berlin nach London und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von umgerechnet 41 Stundenkilometern.

Die Mannschaften an Bord sind verkleinert worden. Statt zwölf werden nur noch sieben Männer die Geschosse bedienen, die immer mehr den verwegenen Hybridkonstruktionen aus der Einhand-Szene ähneln und mit seitlich ausschwenkbaren Kippkielen auch deren anfälligste Technik übernehmen. Bei Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 30 Knoten sei der Aufprall auf eine Welle „nun nicht mehr nur ein böses Erwachen“, wie ein Konstrukteur sagt, „sondern so, als wenn man von einer Schnellfähre stürzt“. Hinzu kommt ein extrem flacher Rumpf, der wie ein Surfbrett über die Wellenberge gleitet. Das neue Design gibt dem Ocean Race etwas von der Unberechenbarkeit früherer Großregatten zurück. „Jeder von uns muss das Segeln wieder von vorne erlernen“, sagte Whitbread-Veteran Paul Cayard, der nach seinem Sieg 1997/98 diesmal die vom Disney-Konzern gesponserte „Black Pearl“ steuert.

Das orange-schwarze Hollywood- Schiff, das auch „Pirates of the Caribbean“ genannt wird und einen Totenschädel im Segel führt, zählt zum engeren Favoritenkreis. Vor allem wegen seiner erfahrenen Crew. Jedes Mitglied hat bereits einen großen Pokal gewonnen. Und der Amerikaner Cayard gilt als gewiefter Stratege, was in einem für seine Langstrecken berüchtigten Rennen von Vorteil ist. Ansonsten entbehrt das Teilnehmerfeld diesmal der großen Charakterköpfe, die die Meereshatz in der Vergangenheit immer wieder geprägt haben.

Mitfavorit „Ericsson Racing Team“ aus Schweden unter Neal McDonald hat die Vorregatta gewonnen. An Bord segelt der einzige deutsche Teilnehmer: der 29-jährige Tony Kolb. Vor vier Jahren triumphierte der Vorschiffsmann auf der „Illbruck“, ebenfalls als einziger Deutscher im Feld. Sogar sein alter Skipper Kostecki, der eigentlich in den America’s Cup eingebunden schien, hat nun für die Kurz-Etappen bei „Ericsson“ angeheuert. Siegchancen rechnet sich auch das niederländische „ABN Amro“-Konsortium aus, das gleich zwei Boote ins Rennen schickt. Für das B-Team, das sich aus jungen Talenten zusammensetzt, trägt der 30 Jahre alte Einhand-Star Sebastian Josse die Verantwortung. Mitte Juni 2006 sollen die Teilnehmer die Ziellinie in Göteborg erreichen. Dann wird sich zeigen, ob die Stürme des Südens, die Flauten und die Hitze des Äquators zum Fürchten sind oder gut genug für Rekorde.

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