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Im Takt der Messestadt. Einige Fans tragen Fanartikel und singen Sprechchöre, die Leipzig huldigen und nicht dem Sponsor.

© imago/Picture Point

RB Leipzig: Seele gesucht

RB Leipzig spaltet Fußball-Deutschland in Schwarz und Weiß: Eine kleine Fangruppe versucht einen dritten Weg und will dem Klub eine Identität jenseits des Sponsorenkults geben.

RB Leipzig hat noch kein neues Logo. Nach dem letzten Drittligaspiel hatten die Rasenballisten bei Facebook und Twitter Fans aufgerufen, Vorschläge für ein Klubwappen zu basteln. Bisher ist nichts Vorzeigbares eingegangen bei dem Zusammenschluss Leipziger Fußballromantiker. Offenbar kann sich kaum jemand in der Stadt Profifußball vorstellen ohne rote Bullen, die sich vor einer gelben Sonne die Hörner stoßen. Der Sponsor Red Bull mit dem fast identischen Emblem ist dafür einfach zu omnipräsent im Klub, den er selbst schuf.

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) fordert da deutlich mehr Kreativität. Die Zweitligalizenz soll es nur geben, wenn der Klub Bedingungen erfüllt wie ein Logo, das sich deutlicher vom Sponsor abhebt. Der Verein legte dagegen am Montag erneut Beschwerde ein, an diesem Donnerstag entscheidet der Lizenzierungsausschuss darüber. Bis spätestens zum 28. Mai fällt die finale Entscheidung, ob das Konstrukt RB Leipzig Teil des deutschen Profifußballs wird.

RB Leipzig Zukunft des ostdeutschen Fußballs?

Doch lässt sich trennen, was im Gründerwillen von Anfang an zusammengehören sollte: Marketing und Sport, Kommerz und Fankultur? Der Klub spaltet das Land in Schwarz und Weiß: Bei Traditionalisten ruft er Ablehnung bis hin zu Hass hervor, sie wittern den Untergang des Fußballabendlandes. Andere sehen RB als Zukunft des ostdeutschen Fußballs, der lange keine große zu haben schien.

Doch es gibt eine kleine Gruppe, die einen dritten Weg anbietet, sich zum Verein zu positionieren. „Wir wollen die Identität des Klubs nicht dem Sponsor überlassen und eine eigene Fanszene entwickeln“, sagt Graham Kaufmann von den Rasenballisten. Das entspricht dem Manifest dieser Faninitiative. „Wir möchten der Sache eine Seele geben.“

Ein schwieriges Unterfangen. Vor allem, weil es Graham Kaufmann gar nicht gibt. Er ist eine Kunstfigur, der fiktive Sprecher einer Fangruppierung, die kein Fanklub sein will, sondern eine Idee: der Gedanke, RB Leipzig zu lieben. Ein gefährlicher Gedanke in einer fußballideologisch umkämpften Stadt, in der Anhänger von Vereinen wie Sachsen, Lok und Chemie Übergriffe auf Andersdenkende begingen. Eine Stadt, in der der Deutsche Fußball-Bund gegründet und der erste Deutsche Meister gekürt wurden, die Weltmeisterschaftsspiele sah, aber seit 16 Jahren keinen Profifußball. Bis ein Getränkekonzern in die Stadt kam.

„Red Bull ist die bittere Kröte, die Leipzig für Profifußball schlucken muss“, sagt derjenige, der sich diesmal als Graham Kaufmann äußert. „Der Rasenballismus versucht diese Kröte aber wenigstens halbwegs genießbar zu machen.“

Der Name Rasenballsport war für Red Bull ein Vehikel, die eigenen Initialen im Vereinsnamen zu verstecken

Es war nur eine Handvoll Zugereister, die 2009 ein neues fußballerisches Zuhause suchte, auswärts mitfuhr, aber vermisste, „was wir an unseren Heimatvereinen geliebt hatten“. Der Name Rasenballsport war für Red Bull nur ein Vehikel, die eigenen Initialen im Vereinsnamen zu verstecken. Die Fans machten ihn sich zu eigen. „Der Name Rasenballsport ist uns wichtig“, sagt Kaufmann. „Ohne ihn würden wir nicht ins Stadion gehen.“ Dass der Verein im Stadion den Namen totschweigt und von roten Bullen und Bullenfans spricht, sorge bei einigen in der Kurve für Magenschmerzen. Die Rasenballisten verfassten ein Manifest und verteilten es auf Flyern, diskutierten in der Kurve, entwarfen Lieder, Fanartikel und Stadionchoreografien, ohne Dose, ohne Bullen. „Wir rücken die Stadt in den Vordergrund“, sagt Kaufmann. Die Rasenballisten seien nur wenige, aber einige Fanklubs übernahmen ihr Manifest. „Viele im Stadion sind Rasenballisten, ohne es zu wissen“, glaubt Kaufmann, „sie wollen ein Fußballerlebnis, ohne einem Sponsor zu huldigen.“

Die Rasenballisten traten in Dialog mit dem Verein, waren mitbeteiligt an der Gründung eines übergreifenden Fanverbandes und daran, dass der Verein Preiserhöhungen bei Tickets zurücknahm. „Der Klub fährt uns gegenüber zweigleisig“, sagt Kaufmann, „sie wollen die Begeisterung in der Kurve mitnehmen, aber nicht das Ruder aus der Hand geben.“ Der Verein schmückte sich mit einer ihrer Choreografien: „Das Herz der Kurve schlägt im Takt allein nur für die Messestadt.“ Auf einem anderen Banner zog ein RB-Fan Gegnerlogos wie Kokain in die Nase: „Durchziehen bis zum Aufstieg.“ Der Klub verbot die Choreo. Nachvollziehbar, aber die Rasenballisten riefen zum Boykott der ersten 15 Minuten gegen Darmstadt auf – dem entscheidenden Heimspiel für den Aufstieg. Das stieß bei den übrigen Fans auf Unverständnis. Die Szene ist durchaus gespalten. Der Klub fördere das durch offizielle Fanklubs, die einen Kodex namentlich unterschreiben müssen und Privilegien genießen. „Er züchtet sich passgenaue Fans zurecht“, sagt Kaufmann. Auswärts kommen die inoffiziellen Fanklubs nicht immer um die Klubsonderzüge herum. „Die Fanszene entwickelt sich langsamer als der sportliche Erfolg.“

Die Rasenballisten nennen sich selbst der achte Mann

Die Rasenballisten sind sich bewusst, „dass wir gegen Windmühlen kämpfen“. Würde Red Bull sich zurückziehen, wie es Firmenchef Dietrich Mateschitz androhte, wäre der Verein tot. Der Klub will sich auf Anfrage nicht äußern. Wer Profifußball sehen will, der könne nicht Kommerz komplett ablehnen, sagt Kaufmann.

Doch es gebe Wege dazwischen. „Eine passive Klubmitgliedschaft ohne Stimmrecht würde für den Anfang die Identifikation erhöhen.“ Die Rasenballisten nennen sich selbst der achte Mann – denn RB Leipzig , heißt es, habe nur sieben Mitglieder, alle Mitarbeiter von Red Bull.

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