zum Hauptinhalt

Trainerentlassung: Retter oder Entwickler? Was Herthas neuer Trainer können muss

Herthas neuer Trainer muss vor allem eines können: den größten anzunehmenden Unfall verhindern – den Abstieg.

Hans Meyer ist Anfang des Monats bei einem öffentlichen Auftritt in Köln gesichtet worden: Er trug einen braunen Cordanzug, war glatt rasiert, ordentlich frisiert und machte auch sonst einen gepflegten Eindruck. Das ist interessant, denn im Frühjahr hat Meyer über seine Pläne für die nähere Zukunft gesagt: „Ab nächsten April werde ich nicht mehr in den Urlaub fahren, mich täglich duschen, weiterbilden und auf den entscheidenden Anruf warten.“ Ist denn schon April? Wenn es nach dem Hertha-Volk geht, müsste Meyer gar nicht mehr so lange warten. Der fast 67-Jährige ist so etwas wie der offizielle Favorit der Berliner Fans für die Nachfolge von Lucien Favre als Trainer bei Hertha BSC. Meyer selbst ist eher belustigt, dass sein Name von den Medien ins Spiel gebracht worden ist. Nein, Hertha hat sich nicht gemeldet, lässt er wissen. Aber so läuft das Spiel nun mal. Angesichts einer Nachrichtensperre in Herthas Führung wird erst einmal jeder Trainer als Kandidat gehandelt, der ein entscheidendes Kriterium erfüllt: dass er gerade vereinslos ist. Die Liste reicht von Dieter Hecking über Kjetil Rekdal und Mirko Slomka bis zu Friedhelm Funkel.

Herthas Manager Michael Preetz hat sich nach der Entlassung Favres nur vage zur Trainersuche, der strategisch wichtigsten Entscheidung seiner noch jungen Amtszeit, geäußert. Zunächst einmal müsse ein Anforderungsprofil erstellt werden. Die entscheidende Frage ist: Will Hertha die Fortsetzung von Favre mit anderen Mitteln – also jemanden, der die Mannschaft schrittweise weiterentwickelt? Oder ist die Situation schon so verfahren, dass jetzt nur noch ein klassischer Retter hilft, der Hertha den Verbleib in der Bundesliga garantiert, bevor der Verein überhaupt wieder langfristig denken kann? Oder gibt es vielleicht doch einen Kandidaten, der kurzfristig rettet und langfristig eine Mannschaft aufbaut, die den traditionell gehobenen Wünschen des Berliner Publikums nach mehr gerecht wird? Die Fragen, ob der Neue jung sein soll oder erfahren, deutsch oder nicht, Links- oder Rechtshänder, waren zunächst einmal nachrangig.

Die Analyse des Istzustands hat die Verantwortlichen zu dem Schluss kommen lassen, dass es in dieser Saison nur noch darum geht, den größten anzunehmenden Unfall, den Abstieg, zu vermeiden. Experimente verbieten sich, Hertha sucht einen Trainer mit Erfahrungen im Abstiegskampf, der zudem deutsch spricht und die Bundesliga kennt, entweder als Trainer oder als Spieler. Auf diese Weise hat der Verein einige Kandidaten bereits ausgeschlossen; bei anderen soll jetzt die Verfügbarkeit geklärt werden. Darunter könnten auch Kandidaten sein, die anderswo unter Vertrag stehen. Eine schnelle Entscheidung, noch vor dem Spiel am Sonntag gegen den Hamburger SV, ist deshalb nicht zu erwarten.

Ein Trainer, der die Anforderungen erfüllt, wäre in der Tat Hans Meyer. Er hat Hertha im Januar 2004 in einer ähnlichen Situation übernommen und die Mannschaft vor dem Abstieg gerettet – seitdem genießt er in Berlin einen exzellenten Ruf. Genauso wie in Mönchengladbach, wo er vor fast exakt einem Jahr bei der Borussia einsprang. Der Aufsteiger hatte in acht Spielen gerade vier Punkte geholt, Hertha hat derzeit drei Punkte nach sieben Spielen. Nach dem Klassenerhalt ist Meyer im Frühjahr in Gladbach von seinem Vertrag zurückgetreten, weil er sich für einen langfristig angelegten Neuaufbau zu alt fühlte. Ein solches Szenario könnte auch den Berlinern gefallen: Meyer rettet die Mannschaft vor dem Abstieg, und dann übernimmt ein Trainer, der das Werk von Lucien Favre fortsetzt. Warum eigentlich nicht Lucien Favre?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false