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Die Hälfte der WM-Stadien in Russland sind mit Hybridrasen ausgestattet.

© dpa

Hybridrasen bei der WM: Russlands unpflügbare Plastikäcker

Der Hybridrasen ist das erste große Diskussionsthema der WM in Russland. Denn nicht alle Spieler sind davon begeistert.

Eine gute Arbeitsfläche ist das Fundament für erfolgreiche Künstler. Was das Schneidebrett für den Sternekoch und der Schreibtisch für den Schriftsteller, ist der Rasen für den Fußballspieler. Oft genug wurde dessen Zustand von Verlierern als hanebüchene Entschuldigung herangezogen. Legendär sind auch die Bilder vom von Pfützen übersäten Platz bei der „Wasserschlacht von Frankfurt“ zwischen Deutschland und Polen während der Weltmeisterschaft 1974. Es lohnt sich also über den Zustand des Grüns zu sprechen. Doch am Eröffnungstag wurde dies von Fernsehmoderatoren und Nutzern sozialer Netzwerke mit ungewöhnlicher Inbrunst betrieben. Vor allem das Thema Hybridrasen entzückte die Diskutanten, immerhin ist die Hälfte der WM-Stadien damit ausgestattet.

Doch was ist das eigentlich? Es handelt sich um Abermillionen von Plastikfäden, die in einem natürlichen Rasen verankert werden. Sie bieten den Wurzeln des Grases zusätzlichen Halt gegen die Einwirkung von Stollenschuhen und Tacklings. Die Stabilität und bessere Wasserdurchlässigkeit werden dabei durch eine größere Gleichmäßigkeit ergänzt: Bei einem Hybridrasen haben die Spieler über 90 Minuten eine ebene Spielfläche. Kein Pass wird durch größere Grasbrocken abgelenkt.

Aber wollen wir wirklich auf die ins Grün gerissenen Zeugnisse von Blutgrätschen verzichten? Oder auf das Bild der ausschwärmenden Horden von Rasenflickern, die mit überdimensionierten Pommesgabeln die Kampfspuren der ersten 45 Minuten beseitigen? Ist der Hybridrasen gar ein weiterer Schritt in der Entfremdung vom „natürlichen“ Fußball? Die Antwort wird wie immer auf dem Platz gegeben. Und sie ist eindeutig: Weltweit vertrauen Fußballklubs auf die Vorzüge des Modells. Erst vor wenigen Tagen verkündete die TSG Hoffenheim stolz, dass die Mannschaft einen „Fußball-Teppich vom Feinsten“ bekomme. Nur der große FC Bayern will dabei nicht mehr mitspielen. An der Säbener Straße setzte Pep Guardiola einst den Hybridrasen durch. Er sollte das pflanzliche Gegenstück für seine moderne Fußballlehre sein. Doch die optimalen Bedingungen für das schnelle Kurzpassspiel hatten ihren Preis: 750.000 Euro soll die Anschaffung nach Aussage von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gekostet haben – pro Platz. Dann ging Guardiola und mit ihm der Hybridrasen.

Vielen Spielern war er im Training zu hart, selbst Verletzungen wurden darauf zurückgeführt. Im Stadion war das Feld sogar von einem Pilz befallen. Frei nach dem Motto „Mia san natürlich“ entschied man sich wieder für das organische Grün. Die Entsorgung des Hybridrasens soll teuer gewesen sein, da er als Sondermüll beseitigt werden musste. Übrigens: Das Wort „hybrid“ stammt vom griechischen „hybris“, was so viel wie Übermut oder Anmaßung, aber auch Frevel oder Schändung bedeutet. Dann hätten wir das Thema Rasen hoffentlich ausreichend abgegrast und können uns wieder auf das Geschehen darauf konzentrieren.

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