zum Hauptinhalt

Schach: Magnus Carlsen begeistert am Brett

Der 18-jährige Norweger Magnus Carlsen, Shootingstar der Schachszene, spielt eigentlich immer auf Gewinn. In Dortmund muss er sich gegen Wladimir Kramnik in ein Remis fügen.

Spiegelte sich da ein innerer Konflikt im Gesicht von Magnus Carlsen wider? Sollte er nach nur 19 Zügen gegen Wladimir Kramnik etwa ein Remis akzeptieren? Der junge Norweger ist doch eigentlich ein Sturm-und-Drang-Typ, Carlsen spielt überall und gegen jeden furchtlos auf Gewinn. Nicht zuletzt seinetwegen waren am Samstag ein paar hundert Zuschauer zu den Dortmunder Schachtagen ins Schauspielhaus gekommen. Trotz Hitze. Sie wollten die Partie der beiden Turnierfavoriten sehen. Carlsen, 18 Jahre alt, gegen Kramnik, 34. Der jüngste gegen den ältesten Teilnehmer. Der Führende gegen den Ex-Weltmeister. Das versprach fünf Stunden Kunst und Kampfschach. Mindestens.

In Wirklichkeit zog Carlsen schon nach einer Dreiviertelstunde immer wieder die Stirn kraus, biss sich auf die Lippen und stöhnte einmal, dass man es bis in die Zuschauerreihen hörte. Schließlich willigte er in die anscheinend unausweichliche Zugwiederholung ein. Kramnik hatte die ganze Variante wohl schon zu Hause ausgetüftelt.

„Natürlich ist, wenn man Weiß hat, ein solches Remis nicht schön“, sagte Carlsen. Schien er neben der besseren Bauernstruktur nicht auch über gewisse Angriffschancen zu verfügen? „Nein, weiterzuspielen, wäre zu riskant gewesen“, widersprach Carlsen, „für einen Angriff war ich zu schlecht entwickelt.“ Der Fachjargon „schlecht entwickelt“ bedeutet: zu wenig der Figuren ins Spiel eingebracht.

Carlsen sagt, er sei nun, nach seinem gerade bestandenen Schulabschluss, Schachprofi. Dabei bezweifeln selbst seine Konkurrenten nicht, dass er schon heute Chancen auf den Weltmeistertitel hätte. „Magnus ist ein Kind der Computer-Generation, aber er spielt eigentlich ganz anders“, ist dem Ungarn Peter Leko aufgefallen. „Er ist ein Allrounder, er spielt in allen Partiephasen gleichstark.“

Doch es wird wohl noch mindestens zwei, drei Jahre dauern, bis Carlsen eine WM-Chance erhalten könnte. Aus der laufenden Grand-Prix-Serie ist er in Führung liegend und unter Protest ausgestiegen, weil der Weltschachbund Fide mitten im Wettbewerb die Bedingungen zur WM-Qualifikation erschwerte. Carlsen hat aber einen der acht WM-Kandidatenplätze ohnehin fast sicher, wegen seiner hohen Rankingzahl. Zurzeit ist er Dritter der Welt. Ob es allerdings wie geplant ein Kandidatenturnier im Jahr 2010 geben wird, bleibt ungewiss. Zumal die Verhandlungen zwischen dem Veranstalter UEP und dem Weltschachbund Fide unlängst gescheitert sind.

Auch zu einem anderen drängenden Thema verhält sich die Fide rätselhaft zögerlich. Noch immer haben die Funktionäre keine für alle Turnierveranstalter bindenden Maßnahmen formuliert, die während der Partien eine heimliche technische Hilfe von außen verhindern könnten. Obwohl jüngst eine Umfrage unter Spitzenspielern ergab, dass fast alle Befragten strenge Kontrollen befürworten würden. Auch Carlsen fordert, dass dringend etwas gegen die „Gefahr des elektronischen Betrugs“ getan werden müsse.

Von den alljährlichen Topturnieren sind aber bislang nur die Dortmunder Veranstalter aktiv geworden: Die Partien werden nicht live im Internet übertragen, sondern um eine Viertelstunde zeitversetzt. So kann sich keiner von einem Komplizen, der womöglich irgendwo mit einem rechenstarken Computer und moderner Kommunikationstechnik die Partie verfolgt, computergeprüfte Tipps übermitteln lassen. Magnus Carlsen begrüßt die Verzögerung. „Alles, was den Betrug bekämpft, ist eine gute Idee.“

Seit Sonntagabend, nach der vierten von zehn zu spielenden Runden, muss Carlsen die Tabellen-Führung mit Kramnik teilen (beide 2,5 Punkte). Während Carlsen gegen Etienne Bacrot remis spielte, schlus Kramnik den Deutschen Arkardij Naiditsch in nur 27 Zügen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false