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Konzentriert. Magnus Carlsen.

© picture alliance / dpa

Schach: Magnus Carlsen will den WM-Titel

Magnus Carlsen half Weltmeister Viswanathan Anand früher im Training. Jetzt will er dessen Titel haben. Von Samstag an fordert Carlsen Weltmeister Anand in dessen Heimat Indien heraus.

Was Magnus Carlsen ohne Schach machen würde, hat er sich offenbar noch nie gefragt. „Keine Ahnung“, sagt Carlsen, „wahrscheinlich irgendwas, bei dem ich mein Hirn einsetzen müsste.“ Dank seines außergewöhnlichen Gehirns steht der 22-jährige Norweger seit fast vier Jahren auf Platz eins der Weltrangliste, und nun will er endlich auch als 16. Weltmeister in die Schachgeschichte eingehen: Von Samstag an fordert Carlsen Weltmeister Viswanathan Anand, 43, in dessen Heimatstadt Chennai in Indien heraus. Zwölf Spiele sind bis zum 26. November angesetzt. „Ich erwarte lange und harte Partien“, sagt Carlsen.

Beide Schachgenies haben Monate auf diesen wohl bedeutendsten WM-Kampf der letzten Dekade hingearbeitet, haben Körper, Hirn und Psyche trainiert. Seit Anfang September feilte Anand mit seinen Sekundanten in einer Eigentumswohnung im hessischen Bad Soden an den Eröffnungen, bevor er sich vor zweieinhalb Wochen auf den Weg nach Chennai machte. „Jetzt ist es Zeit, sich zu entspannen und innerlich einzustellen“, sagt Anand. Keine Analysen mehr und auch keine langen Interviews. Immerhin, beide waren bereit für ein paar Antworten via Skype und E-Mail. Auf die Frage, ob sein Team die zuweilen langweilige Analysearbeit wieder mit deutscher Hardcoremusik wie Rammstein begleitet habe, muss Anand lachen. „Es lief auch etwas indische Musik im Hintergrund.“ Aber hauptsächlich hätten sie Coldplay gehört.

Von kühlem Spiel dürfte in Chennai indes kaum die Rede sein. Während Anand an das auch im November tropische Klima gewöhnt ist – er braucht nur ein paar Minuten von seinem Wohnhaus zum Spielort, einem Luxushotel mitten in der Millionenmetropole –, hat Carlsen Maßnahmen ergriffen, damit sein Gehirn auch in der Fremde einwandfrei arbeiten möge. Zu seinem Team gehört auch ein eigener Koch. Zuletzt habe er sich die Wartezeit gern mit älteren US-Fernsehserien vertrieben, „meine Favoriten sind ‚Seinfeld’ und ‚Curb Your Enthusiasm’“.

Als Favorit dieses WM-Kampfs sieht Carlsen sich selbst. Gewiss, nähme man allein seinen riesigen, fast 100 Elopunkte zählenden Vorsprung auf den in der Weltrangliste achtplatzierten Anand zum Maßstab, scheint er turmhoch überlegen. Doch leicht wird es nicht. Anand ist 20 Jahre älter, aber eben auch erfahrener in Wettkämpfen, und er versteht es, seine Energien auf das Wesentliche zu konzentrieren, dies bewies er bei seinen drei Titelverteidigungen gegen Wladimir Kramnik in Bonn 2008, gegen Wesselin Topalow (2010) und gegen Boris Gelfand (2012).

Anand hat die Partien seines Gegners genau untersucht. „Magnus ist ein sehr zäher Spieler. Er versucht, alles aus einer Position herauszuholen“, sagt Anand. Weil Carlsen wohl kaum ein Kurzremis zulassen wird und die Partien bis zu sieben Stunden dauern können, hat Anand diesmal besonderen Wert auf die Fitness gelegt, ist viel gejoggt und geschwommen. Im Unterschied zu früheren WM-Gegnern dürfte Carlsen schwieriger auszurechnen sein. Gut möglich, dass der Norweger in jeder Partie eine andere Eröffnung wählen wird.

Carlsen selbst beschreibt seinen Stil als „vielseitig, praktisch und vielleicht pragmatisch“. Er habe aber nie ein Vorbild gehabt und sich nie für bestimmte Spieler interessiert, sondern immer nur für deren Partien und Ideen. „Ich verfolge das Ziel, die besten Züge zu finden, anstatt irgendeinen Stil nachzuahmen.“

Auch bei dieser WM spielen psychologische Aspekte eine Rolle, Anand und Carlsen mussten ihre persönliche Beziehung umdefinieren. „Ich halte ihn für einen guten Kollegen. Seit klar ist, dass wir einen WM-Kampf spielen, sehe ich ihn als Rivalen an“, sagt Carlsen. Früher waren sie befreundet, im Jahr 2010 hatte Carlsen Anand sogar vor dessen WM-Kampf gegen Topalow als Trainingspartner geholfen. „Ja, wir haben damals ein bisschen zusammengearbeitet und Blitz gespielt“, präzisiert Anand, „ich habe immer gedacht, wir können gut miteinander.“

Ob es auch gut gegeneinander klappt, zeigt sich jetzt.

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