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Ehrenratssache. Clemens Tönnies, hier neben Kritiker Gerald Asamoah, muss sich am Dienstag verantworten.

© Caroline Seidel/dpa

Schalke-Blogger Hassan Talib Haji: „Clemens Tönnies kann sich nicht entschuldigen“

Schalke-Blogger Hassan Talib Haji spricht im Interview über die rassistischen Entgleisungen des Aufsichtsratschefs und die anstehende Sitzung des Ehrenrats.

Hassan Talib Haji bloggt über den FC Schalke 04 und ist in Fankreisen mit seinem Blog "Hassans Corner" bekannt. Bevor der Ehrenrat am Dienstag um 18.30 Uhr über Clemens Tönnies entscheidet, haben wir mit ihm gesprochen.

Wann haben Sie zum ersten Mal von Tönnies‘ Äußerungen erfahren? Und wie war ihre erste Reaktion?
Das war am letzten Freitag am späten Vormittag. Zunächst war ich überrascht und ungläubig. Ich habe mich gefragt: Hat Clemens Tönnies das jetzt ernsthaft gesagt? Ich sah dann sein offizielles Statement auf der vereinseigenen Webseite des FC Schalke 04. Da wusste ich, er hat es so gesagt. Es folgte die Enttäuschung und als persönlich Betroffener natürlich auch große Verärgerung. Ich wurde in Mombasa in Kenia geboren, meine Mutter stammt aus Kismaayo in Somalia. Wir haben dort noch Familie.

Wie haben die Fans auf die Aussagen reagiert?
Soweit ich das beurteilen kann, waren viele entsetzt und haben deutliche Kritik an diesen rassistischen Äußerungen geübt. Es gab auch einige Fans, die diese Aussage heruntergespielt und Clemens Tönnies verteidigt haben.

Mittlerweile hat sich Tönnies öffentlich entschuldigt. Für wie glaubhaft halten Sie diese Entschuldigung?
Ich habe das schon mehrfach kundgetan. Clemens Tönnies kann sich nicht entschuldigen. Ein Mensch kann sich nicht selbst Absolution erteilen und sich lossprechen von jedweder Schuld, die er oder sie verursacht hat. Man kann lediglich um Entschuldigung oder Verzeihung bitten. Dies zu gewähren, können nur die Menschen machen, die man beleidigt hat. Und bis heute hat Herr Tönnies dies nicht getan. Somit ist diese 'Entschuldigung' für mich völlig wertlos.

Am Dienstag tagt der Ehrenrat zum Thema und will Tönnies befragen. Was erwarten Sie von diesem Treffen?
Das ist schwierig zu beurteilen. Vor dem letzten Wochenende war ich mir noch relativ sicher, dass Herr Tönnies mit einem königsblauen Auge davonkommen wird. Mittlerweile ist der öffentliche Druck aber so massiv geworden, dass ich glaube, der Ehrenrat wird ihn zu einem Rücktritt bewegen wollen oder ihn seines Amtes entheben. Bleibt Herr Tönnies im Amt oder erhält eine Auszeit und darf dann als Aufsichtsratsvorsitzender oder nur noch als ein normales Mitglied des Aufsichtsrats weitermachen, dann wäre das ein herber Schlag für alle Anti-Rassismus-Kampagnen des Fußballs und für den FC Schalke 04 wäre es eine moralische Bankrotterklärung.

Welche Konsequenzen hätte es für Schalke 04, wenn Tönnies von seinen Ämtern zurücktreten würde?
Schalke 04 wäre natürlich weiterhin tagelang Gegenstand der aktuellen Berichterstattung. Allerdings würde es Clemens Tönnies ein öffentliches Bild der Einsicht verschaffen. Er würde seinen fatalen Fehler eingestehen und er würde zeigen, auch die dafür einzige Konsequenz zu ziehen. Nämlich seinen Rücktritt. Schalke 04 würde es auch nach Clemens Tönnies geben.

Ist Tönnies aus Ihrer Sicht überhaupt haltbar?
Nein. Ich glaube, das Ende ist erreicht. Aber die Entscheidung treffe ja nicht ich, sondern Herr Tönnies entweder selbst oder Schalke 04.

Wie groß ist Tönnies Einfluss bei Schalke 04?
Seinen Einfluss schätze ich als immens ein. Er ist seit 1994 im Schalker Aufsichtsrat, seit 2001 ist er Vorsitzender des Gremiums. In all diesen Jahren haben sich Strukturen entwickelt. Zudem hat Herr Tönnies in der Bundesliga und bei der Presse viele Freunde, wie ich glaube. Er hat eine große Macht beim FC Schalke 04. Deshalb gibt es nicht wenige Menschen, die aufgrund dessen glauben, er könnte diese Situation überstehen und weitermachen dürfen. Aber, wie bereits gesagt, dann zeigt das nur, wie es bei Schalke 04 wirklich aussieht. Clemens Tönnies wäre größer als die Werte des FC Schalke. Und das darf niemals der Fall sein. Hier muss der Verein Rückgrat beweisen.

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Welche Rolle hat er beim Einfädeln großer Sponsoren-Deals gespielt (etwa bei Gazprom)?
Dazu kann ich natürlich keine handfesten Beweise offenlegen. Dass Herr Tönnies maßgeblich an den Deals mit Gazprom beteiligt war, lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen. Da darf ich gerne an das Foto mit Wladimir Putin erinnern. Dass er in sämtlichen großen Sponsorendeals seine Finger im Spiel hat, hört man allerdings schon sehr oft.

Könnte es sein, dass es den Versuch äußerer Einflussnahme auf den Ehrenrat gibt, um Tönnies gewissermaßen zu retten?
Möglich wäre es natürlich. Prof. Dr. Klaus Bernsmann ist ein Mitglied des Ehrenrats. Was viele nicht wissen, ist, dass Herr Bernsmann jahrelang der Rechtsanwalt von Clemens Tönnies war. Ob er das immer noch ist, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls sieht es so aus, dass Herr Bernsmann ein enger Vertrauter von Herrn Tönnies ist. Ob das aber seine Stimme pro oder contra Tönnies in irgendeiner Form beeinflusst, kann ich nicht beurteilen.

Im Falle eines Rücktritts: Befürchten Sie, dass ein Imageschaden für den Verein bleibt?
Nein, das befürchte ich ganz und gar nicht. Der FC Schalke 04 hat jetzt die große Chance, weltweit für alle öffentlich einen enormen Imagegewinn zu erzielen. In dem der Klub sich klar gegen Rassismus positioniert, seine moralischen Werte verteidigt und Herrn Tönnies die Tür zeigt. Etwas, das ein solcher Verein mit dieser Historie meiner Meinung nach auch zwingend machen muss.

Glauben Sie, dass sich die Schlagzeilen um den Vereinschef negativ auf sportliche Belange auswirken könnten?
Das glaube ich eher weniger. Natürlich wird diese Geschichte ein Thema in der Kabine sein. Aber deswegen wird keiner Spieler einen Pass unsauber spielen, die Ballannahme versauen oder das Tor nicht treffen. Das geht auch so. (lacht)

Wenn Sie zum Ehrenrat gehören würden: Was würden Sie Tönnies sagen und empfehlen?
Ich würde Ihm für seine jahrelangen Bemühungen und Dienste für den FC Schalke 04 danken. Aber auch klar und deutlich vermitteln, dass es in dieser Angelegenheit um die Werte des Klubs geht, auch um die Zukunft und das hier jetzt Schluss ist. Keine Person ist größer als der Verein – auch Herr Tönnies nicht.

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