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Zahnpasta in Deutschland-Farben? Darauf bleibt die Industrie nach dem WM-Aus sitzen.

© dpa

Schland-Produkte: Was das Vorrundenaus für die Wirtschaft bedeutet

Deutschland fliegt aus der WM. Immerhin: Damit hört zumindest auch der schwachsinnige Vermarktungswahn der Wirtschaft auf.

Woran mal wieder niemand denkt, ist die Mineralwolle-Industrie. Erst vor einigen Tagen meldete sich der Fachverband Mineralwolleindustrie e.V. unter Verantwortung des Geschäftsführers Dr. Thomas Tenzler zu Wort, um auf die weithin unbekannte Lösung eines altbekannten Problems hinzuweisen. „So wird die Fußball-WM trotz Sendeverzögerung zum TV-Erlebnis: Schallisolierung aus Mineralwolle dämmt verfrühten Jubel der Nachbarn ein.“ Und weiter: „Nicht selten passiert es, dass der Jubel des Nachbarn bereits ein Tor ankündigt, bevor man es selbst sieht. Denn die verschiedenen Empfangsmöglichkeiten über Satellit, Kabel oder Internetstream führen zu Übertragungsverzögerungen. Ist die Wohnung dann auch noch hellhörig, kommt doppelter Frust auf. Eine Schalldämmung mit Mineralwolle schafft sofort Abhilfe.“

Klar ist: Das WM-Aus trifft den Fachverband hart. Dessen pointierte, ja geradezu clevere Marketing-Strategie wird sicherlich tausende kurzentschlossene Haus- oder Wohnungsbesitzer überzeugt haben, spontan die Wände aufzureißen und Mineralwolle hineinzustopfen, damit das nächste Deutschland-Spiel ohne lästige Störungen vonstatten geht. Nur dass es nun kein weiteres Spiel der Deutschen bei der WM geben wird. Dass die Mineralwolle den „großen Vorteil hat, dass sie als breitbandiger Absorber besonders viele Frequenzen dämmt“, scheint ohne Bezug zur WM kein sonderlich überzeugendes Argument mehr zu sein. Wenn also Jogi Löw zurücktritt, wird Herr Dr. Tenzler dann nicht ebenfalls Konsequenzen ziehen müssen? Ein weiteres Statement des Verbands lässt auf sich warten, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass die Steinwolle-Szene in heller Aufruhr ist.

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Was ja ganz generell für die deutsche Wirtschaft in Fußballturnier-Jahren gilt. Kein noch so biederes, blödes, unnötiges Produkt, das zur WM nicht krampfhaft mit Fußball beworben wird. Neben allerlei Nahrungsmitteln (deren vielleicht dämlichstes Produkt die „Freistoßspray-Weingummis“ sein dürften), erstreckt sich das Schlandfieber auch auf ansonsten völlig fußball-unverdächtige Produkte. Das Schland-Klopapier etwa, das tatsächlich mit dem Slogan „Außen zart und innen stark“ wirbt. Immerhin: Hier passt das Produkt ja wenigstens zum Ausscheiden. Oder die Autoscheinwerfer-Glühbirnen im Fahnendesign, wegen der man sich möglicherweise halb-blind um den nächsten Betonpfeiler wickelt, immerhin aber in dem Wissen, alles für seine Farben getan zu haben. Wer seine Verbundenheit zum Fußball und der Nationalmannschaft gern ein bisschen weniger lebensgefährlich zum Ausdruck bringt, kann auch einfach zu den Fußball-Klosteinen greifen, denn patriotisch pinkelt es sich ja schließlich am besten.

Und so geht es weiter. Schland-Tortenböden zum Zunehmen, Fußball-Diäten, um wieder abzunehmen. Schland-Klobürsten, Schland-Zylindermuttern, Schland-Hundetrikots? Übrigens: Nur eines dieser fünf Beispiele war erfunden. Immerhin scheint es, als führten nach dem überraschenden WM-Aus diverse Unternehmen ihre Marketing-Bemühungen wieder zurück. Die Weltmeisterbrötchen bei Aldi heißen jetzt wieder Fußball-Kartoffelbrötchen, was natürlich noch immer dämlich, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung ist. Und vielleicht findet ja auch der Fachverband Mineralwolleindustrie im Lichte des deutschen Scheiterns zu sich zurück und vermarktet Isolier-Mineralwolle demnächst wieder als: Isolier-Mineralwolle.

Stephan Reich

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