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Er hat die Härte. Auf Steffen Deibler ist bei großen Wettkämpfen Verlass. Foto: dapd

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Schwimmen: Mehr Qualen, bitte

Schwimm-Bundestrainer Lange sieht noch Defizite.

Berlin - Paul Biedermann ist schlanker geworden, man konnte es gut sehen, weil er keinen Neoprenanzug mehr trägt bei den Rennen, sondern mit freiem Oberkörper neben dem Zelt stand, in dem die Athleten auf ihren Start warten. Biedermann blickte verdrießlich, es war nicht so gut gelaufen über 200 Meter Freistil. Aber gut, es war der Vorlauf beim Kurzbahn-Weltcup der Schwimmer in Berlin, „und morgens komme ich sowieso nie gut aus dem Knick“. Der Doppel-Weltmeister hatte es ins Finale geschafft, „für den Moment ist es okay“.

Ein paar Stunden später stand er wieder hier, diesmal blickte er, als hätte man sein Auto zerkratzt. „Wenn ich meine Wenden sehe, könnte ich ausrasten.“ Es war Sonntagnachmittag, nachmittags kommt er sonst immer aus dem Knick.

Aber er hatte gewonnen.

Auf der letzten Bahn im Finale hatte er noch mal durchgezogen und sich enorm gequält. In 1:44,36 Minuten gewann er die 200 Meter Freistil, sein zweiter Sieg nach dem Erfolg über 400 Meter Freistil.

Solche Leute braucht Dirk Lange, der Bundestrainer. Lange stand am Sonntag neben dem Becken, starrte aufs Wasser und erklärte: „Wir haben zu wenige Athleten, die sich auch dann gut präsentieren, wenn sie aus dem Training kommen. Gut vorbereitet schnell zu schwimmen ist nicht schwer.“ Aber das sei auch eine Frage der Trainingspläne. Biedermann hat ein Höhen-Trainingslager hinter sich.

Die Kurzbahn-EM steht an, dann die WM, aber in Berlin haben zu wenige der Leistungsträger die EM-Norm unterboten. 20 bis 25 EM-Medaillen will Lange, zehn sollen es bei der WM sein. Die deutsche Meisterschaft in zwei Wochen ist ein weiterer Norm-Wettkampf, aber der Bundestrainer hätte gern in Berlin mehr von seinen Topleuten gesehen. Wirklich überzeugt haben ihn nur wenige, Markus und Steffen Deibler zum Beispiel.

Markus Deibler gewann über 100 Meter Lagen in Weltjahresbestzeit (52,17 Sekunden), sein Bruder siegte über 100 Meter Freistil in 46,69 Sekunden. Nur Cesar Cielho aus Brasilien war 2010 schneller. „Markus hat keine Angst, der geht aggressiv in ein Rennen“, sagt Lange. Steffen Deibler ebenso, für Lange ist er „der talentierteste deutsche Schwimmer“.

Das sagt Lange seit Jahren, nur hat Deibler bislang international dieses Talent zu selten bestätigt. Deshalb lässt Lange ihn jetzt bei jedem Weltcup starten. Das soll Wettkampfhärte verschaffen. „Wir setzen auf sehr harte Rennen statt auf viele Trainingskilometer“, sagt der Bundestrainer. „Steffen ist der Einzige, der im Weltcup immer punktet.“

Dorothea Brandt von der SG Neukölln hat in Berlin ebenfalls die EM-Norm unterboten, über 50 Meter Freistil wurde sie mit 24,28 Sekunden Zweite. Aber auch sie hat ein mentales Problem. Deshalb ist auch sie beim Weltcup präsent.

Aber auch sie ist bei Höhepunkten Teil des Problems. „Wir haben in der Spitze zu wenig Breite“, sagt Lange. Auf Deutsch: Zu wenige Topleute holen derzeit auch unter Druck Medaillen. Freilich kann er langfristig wieder auf Rücken-Spezialist Helge Meeuw und Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen bauen. Beide wollen bis zur Langbahn-WM wieder in Bestform auftreten.

Für Wettkampfhärte sollen inzwischen auch Länderkämpfe mit den Briten sorgen. „Die sind in Europa derzeit das Maß der Dinge“, sagt Lange. Das nächste Duell findet Anfang 2011 in Essen statt. Das letzte lief in London. Es war ernüchternd. Oder motivierend, je nach Standpunkt. „Wir haben katastrophal verloren“, sagt Lange.

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