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Sport: Schwitzen und schweigen

Wie Kapitän Philipp Lahm im Halbfinale führte

Philipp Lahm ist ganz schön im Stress. Er muss nämlich führen,beruhigen, die richtigen Worte finden, herrje, diese Hektik! Nein, nicht auf dem WM-Rasen in Durban. Lahm, 26, heiratet am nächsten Mittwoch in einer Dorfkirche bei München seine Freundin Claudia.

Wichtige Führungsaufgaben also auch zuhause, was soll ihn da schon nervös machen in diesem ersten WM-Spiel nach der forschen Inanspruchnahme des Kapitänsamts? Lahm hatte gesagt: „Die Rolle macht mir sehr viel Spaß. Wieso sollte ich das Amt dann freiwillig abgeben?“

Ja, warum eigentlich? Nur leider ist der eigentliche Kapitän Michael Ballack gerade verletzt, er erfuhr im Flugzeug von Lahms Ambitionen, und es war sicherlich keine leichte Lektüre für den Heimweg. Ballack hat gestern das Reha-Training in Luxemburg aufgenommen, dort schuftet er im Pool, um beim Aqua-Training die kaputten Bänder zu stabilisieren – im Hotelpool von Südafrika wär’s zu kalt gewesen. Äußern will er sich zum Machtkampf nicht. Aber er wird vorm Fernseher den kleinen Mann mit den großen Ambitionen beobachtet haben.

Philipp Lahm trägt gegen Spanien die Kapitänsbinde am linken Oberarm, sie ist blau wie der Glückspullover von Bundestrainer Joachim Löw. Er führt mit der Größe von 1,70 Meter das Nationalteam auf den Rasen, nur Piotr Trochowski ist zwei Zentimeter kleiner, er wird an diesem Abend vor ihm spielen. Doch so richtig läuft’s nicht, das beginnt schon vorm Anpfiff: Lahm verliert die Seitenwahl.

Sein Arbeitsplatz befindet sich in Diaspora, ganz rechts hinten, seine Lieblingsposition. Dort kann er nämlich im Sprint – und schnell ist er ja – mit seinem rechten Fuß im Zweikampf den Gegner angreifen, das ist sein stärkerer. Aber was bringt er als Kapitän? Ballack ist präsenter auf dem Rasen, er lobt und klatscht, schnauzt allerdings auch so kernig die Kollegen an, dass er sogar schon einmal eine Ohrfeige zu spüren bekam. Lahm hingegen – geboren am 11. 11. und trotzdem keine Frohnatur – schwitzt und schweigt. Es heißt, dieser Stil komme gut an in der Mannschaft. Es ist die Rede von flacher Hierarchie. Das Kommando kann Lahm auf seiner rechten Defensivseite eh nicht übernehmen, Diskussionen mit dem Schiedsrichter spart er sich komplett an diesem Abend. Dabei spricht er gut Englisch (besser als sein Stellvertreter Bastian Schweinsteiger).

Deutschland wackelt und taumelt über den Rasen, doch der Kapitän ist es nicht, der der jungen Mannschaft Halt geben kann. Von draußen hat längst Löw den Job des Mutmachers übernommen. Mit seinem Kapitän mag er viel reden im WM-Quartier, er ist einer seiner loyalsten Verbindungsleute, aber auf dem Rasen – da ist keine Kommunikation zu sehen, obwohl Lahm direkt vor Löw steht.

Dann ist das Spiel aus, abgepfiffen und verloren. Deutschland spielt also am Sonnabend gegen Uruguay. Dass der Gatte nun früher heimreist, wird im Hause Lahm ganz bestimmt nicht als unpassend empfunden.

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