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Sport: Singen, springen, siegen

Schwedens Erfolg in der Leichtathletik kam eher zufällig zustande

Manchmal erinnert Christian Olsson an Klaus Kinski. Wenn er sich konzentriert, dann hat der schwedische Dreispringer diesen stechenden Blick, mit dem der Schauspieler Kinski früher sein Publikum erschreckte. Am Sonntag hat Olsson wieder so grimmig geschaut, besonders vor seinem zweiten Versuch. Der zweimalige Weltmeister sprang dann 17,79 m, das bedeutete Gold, und auf einmal war er ganz der Sonnyboy, laut lachend, eingehüllt in eine riesige schwedische Fahne. Einem Kameramann streckte er die Zunge raus.

So weit ging Stefan Holm nicht. Er sah eher aus, als wäre er völlig überwältigt. Er vergrub sein Gesicht in den Händen, dann wieder legte er den Kopf in den Nacken, die Augen geschlossen, als könne er nicht glauben, was er gerade erreicht hatte: Gold im Hochsprung.

Zwei Goldmedaillen für Schwedens Leichtathleten innerhalb einer Stunde. Erst Holm, dann Olsson. Und am Samstag hatte schon Carolina Klüft den Siebenkampf gewonnen. Und Patrik Kristiansson, der WM-Dritte im Stabhochsprung, und Kajsa Bergquist, die Hochsprung-Europameisterin von 2002, kommen erst noch. Wie stieg Schweden zu so einer Leichtathletik-Macht auf? „Wir haben einen tollen Teamgeist“, sagt Yannick Tregaro, der Trainer von Olsson. Jeden Herbst treffen sich die schwedischen Athleten vier Tage lang in einer Art Ferienlager. Sie angeln, fahren Kajak und singen am Lagerfeuer Lieder. Aber es gibt keinen Masterplan, sagen schwedische Experten. Dafür liefern sie zwei Namen. Patrik Sjöberg und Viljo Nousiainen.

Diese beiden bilden, genau genommen, den Kern der schwedischen Erfolgsgeschichte. Sjöberg wurde 1984 als 19-Jähriger Olympia-Zweiter im Hochsprung , später stellte er mit 2,42 m einen Weltrekord auf. Nousiainen war sein Trainer. Sjöberg stieg in Schweden zum Idol auf, jeder wollte plötzlich Hochspringer werden. Olsson, Holm, Bergquist, Kristiansson, sie alle sagen: „Sjöberg ist mein Vorbild.“

Der elfjährige Christian Olsson ging zusammen mit dem 13-jährigen Patrik Kristiansson in Göteborg zum Klub Orgryte IS. Dort trainierte Nousiainen mit Sjöberg, und der Hochsprung-Coach erkannte sofort das Talent des hochgewachsenen Neulings Olsson. Der Coach baute ihn zum Hochspringer auf, bis Nousiainen am 12. Juni 1999 tot in seinem Appartement aufgefunden wurde. Ab diesem Tag übernahm der damals gerade 21 Jahre alte Tregaro das Training von Olsson. Eigentlich war Tregaro auch als Athlet in Nousiainens Gruppe, aber jetzt sagte er: „Christian hat mehr Talent als ich, also trainiere ich ihn und die anderen der Gruppe.“ Unter Tregaro wechselte Olsson dann zum Dreisprung.

Stefan Holm entschied ebenfalls, dass er Hochspringer werden wollte, als er Sjöberg sah. Damals war er acht Jahre alt, ein paar Jahre später wechselte er zu Nousiainen nach Göteborg. Nach dessen Tod ging er zu Trainer Johnny Holm.

Auch Carolina Klüft stammt aus dieser Generation, die von Sjöberg inspiriert wurde. Aber weil sie keine passende Disziplin fand, wurde sie Siebenkämpferin. Schon als Zwölfjährige stellte sie ihren ersten schwedischen Jugendrekord auf. Sie profitiert genauso wie die anderen Stars davon, dass sie viel Freiraum besitzt und kaum strikte Verbandsvorschriften erlebt. Und Carolina Klüft schlüpft jetzt in die Rolle, die Patrik Sjöberg früher für Talente wie sie hatte. Bei ihrem Siebenkampf in Athen erzielte das schwedische Fernsehen Spitzenquoten.

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