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© AFP

Skandal um Andre Agassi: Das Mädchen mit dem Kokskuss

Nach Andre Agassis Drogengeständnis stellt sich die Frage: Wird Doping im Tennis konsequent vertuscht? Der Star entschuldigte sich am Donnerstag bei seinen Fans.

Berlin - Andre Agassi galt als einer der Saubermänner im Tennis. Nicht nur, weil der 39-Jährige ein Schulprojekt für sozial benachteiligte Kinder leitet, für das er bereits weit über 100 Millionen Dollar gesammelt hat. Er ist seit Jahrzehnten einer der Sympathieträger seines Sports. Er wirkt vor allem: absolut ehrlich. Umso mehr schockierte nun sein Geständnis, Drogen konsumiert und gelogen zu haben, die Tenniswelt. Vor allem jedoch bringt es die Profi-Organisation der Männer (ATP) in große Erklärungsnot.

Mit einer einfachen Lüge nämlich, so Agassis Version der Geschichte, soll er die ATP im Jahr 1997 davon überzeugt haben, von einer Dopingsperre gegen ihn abzusehen. Das Aufputschmittel Crystal Meth, das man in seinem Blut gefunden habe, sei durch den Drink eines Freundes, den er versehentlich konsumiert habe, in sein Blut gelangt. In Wahrheit jedoch half die Droge Agassi wohl über eine der schwersten Phasen seines Lebens hinweg, als der sportliche Absturz in die Bedeutungslosigkeit drohte und seine Ehe mit der Schauspielerin Brooke Shields vor dem Ende stand. „Ich musste mich entscheiden“, sagte Agassi am Rande der US Open im September. „Wollte ich weitermachen oder nicht? Entweder ganz oder gar nicht, sagte mein Trainer damals zu mir.“ Vielleicht half ihm das Aufputschmittel damals, sich für das Tennis zu entscheiden. Agassi kämpfte sich zurück und wurde mit 33 Jahren zur ältesten Nummer eins, die der Sport jemals hatte.

Dass eine Lüge damals ausreichte, seine Karriere zu retten, lässt die ATP in einem fragwürdigen Licht erscheinen. Viele fragen sich, wie viele vertuschte Fälle es im Tennis noch gibt. „Das Anti-Doping-Programm besagt, dass ein unabhängiges Gremium entscheidet, ob die Anti-Doping-Bestimmungen verletzt worden sind. Die ATP hat diese Regel immer respektiert und hat nicht die Mittel, selbst zu entscheiden“, sagte die ATP in einer Pressemitteilung. Das wird als Erklärung allein wohl nicht ausreichen. Der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), John Fahey, sagte der Zeitung „The Times“, dass eine rückwirkende Bestrafung Agassis nicht mehr möglich sei, weil der Fall verjährt sei. „Die Wada erwartet jedoch von der ATP, dass die Vorwürfe rückhaltlos aufklärt werden.“

Auch der Fall Richard Gasquet, der mit einer ähnlich kuriosen Geschichte kürzlich einer längeren Strafe entgangen war, lässt einen laschen Umgang mit den Anti-Doping-Vorgaben im Tennis vermuten. Gasquet war am 10. Mai nach einer positiven Dopingprobe auf Kokain für ein Jahr gesperrt worden. Nachdem er Berufung eingelegt hatte, wurde er von einem unabhängigen Doping-Gericht des Tennis-Weltverbands ITF freigesprochen. Er argumentierte, die Droge sei durch einen Kuss mit einem unbekannten Mädchen in einer Bar in sein Blut gelangt. Er wurde lediglich zweieinhalb Monate gesperrt.

Agassi selbst entschuldigte sich gestern per Videobotschaft bei seinen Fans. „Ich habe meine Fehlentscheidungen genau dargestellt, die in einigen Fällen beinahe in einer Katastrophe geendet hätten“, sagte er. Vielleicht ist all das auch nur Marketing für seine am 9. November erscheinende Autobiografie „Open“. Offen wollte er wohl sein – und löste damit freiwillig oder unfreiwillig eine offene Diskussion über Doping im Tennis aus.

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