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Handball: Spiel verloren, Fans gewonnen

Die Füchse unterliegen Kiel in letzter Sekunde und werden trotzdem von 10.000 Zuschauern gefeiert.

Berlin - Was hatte dieser Peter Stochl nicht alles gehalten. 21 Würfe, darunter drei Siebenmeter – die Weltklassespieler des THW Kiel waren bereits der Verzweiflung nahe. Vor allem Dank ihres Torhüters standen die Füchse Berlin, der Aufsteiger in die Handball-Bundesliga, gegen den haushohen Titelfavoriten ganz dicht vor der Sensation. Und dann wurde ausgerechnet der tschechische Nationaltorhüter, der Kapitän, zur tragischen Figur. Sechs Sekunden vor Spielende stand es in der Max-Schmeling-Halle noch 26:26, und der THW startete seinen letzten Angriff. Selbst das Unentschieden wäre für die Gastgeber noch ein großer Erfolg gewesen. Da warf Viktor Szilagyi auf das Füchse-Tor. Schon mehr aus Verzweiflung aus zehn Metern. Stochl saß am Boden, der Ball setzte auf und landete hinter der Linie. Ein sicherlich haltbarer Wurf brachte dem THW Kiel den 27:26 (13:11)-Erfolg und damit der 14. deutschen Meisterschaft ein Stück näher. Über die Auszeichnung als „Spieler des Tages“ mochte sich Stochl angesichts der Schlussphase nicht freuen. „Das ist so ärgerlich, wir waren so dicht am Erfolg dran“, sagte der Keeper missmutig. Die 10.000 Zuschauer feierten ihn dennoch.

„Natürlich sind wir enttäuscht, aber wir können auch stolz sein“, sagte Füchse-Trainer Jörn-Uwe Lommel. Die Niederlage in letzter Sekunde schrieb er der größeren Cleverness des Gegners zu: „Wenn man denen den Finger reicht, reißen sie einem eben gleich den ganzen Arm ab.“ Und den Finger hatten die Füchse schon vorher gereicht. Da ließen sie es zu, dass Kiel trotz eines 17:23-Rückstandes (46.) noch herankommen konnten. THW-Trainer Svonimir Serdarusic sagte zu dieser Situation: „Da mussten wir volles Risiko gehen. Der Sieg war Dusel.“

Ihren letzten Sieg gegen Kiel hatten die Füchse 1983 gefeiert. Damals war der heutige THW-Coach, der Kiel seit 1994 trainiert, als Kreisläufer im Trikot der Berliner dabei. „Ich habe nach wie vor eine Beziehung zu dieser Stadt, aber nicht zum Verein“, sagte er.

Dass es am Ende so knapp werden würde, das konnte niemand am Anfang ahnen. Denn nach knapp fünf Minuten, als der Füchse-Trainer Lommel bei einem 0:3-Rückstand in der Auszeit fast außer sich vor Zorn war, schien alles für den Favoriten nach Plan zu laufen. Im 54. Pflichtspiel in acht Monaten zeigte sich aber recht schnell, dass einige Spieler fast am Ende ihrer Kräfte sind: allen voran der Top-Star Nikola Karabatic. Der Franzose lobte zugleich die Berliner: „Die Füchse-Abwehr war auch sehr gut.“ In der ersten Halbzeit warf der Franzose noch drei Treffer, dafür reichte die Kraft noch, aber zugleich beging er ungewöhnlich viele Fehler.

In der zweiten Hälfte traf Karabatic kein Mal, aber auch Andersson, Lövgren und Weltmeister Zeitz blieben ohne Erfolg. Bei den Füchsen waren die Erfolgsanteile verteilt: Konrad Wilczynski (6 Tore/1 Siebenmeter) und Markus Richwien (5), die beiden Außenspieler, waren am Ende am erfolgreichsten. Sie profitierten vor allem von den beiden Antreibern im Füchse-Aufbau: Bartlomiej Jaszka (4) und Kjetil Strand (3). Dass es dennoch nicht zu einer Überraschung gegen den prominenten Gegner gereicht hat, der am Sonntag im ersten Champions-League-Finale gegen Ciudad Real steht, lag an drei Dingen: Vier Minuten vor Schluss scheiterte Kreisläufer Andrius Stelmokas zweimal frei vor dem Tor, Kiel hatte mit dem eingewechselten Torwart Mattias Andersson und Viktor Szilagyi zwei späte Joker – und profitierte von Stochls Fehler.

Aber die Fans in der ausverkauften Halle sahen dennoch ein begeisterndes Handballspiel. „Es war eine Lehrstunde für uns, von der wir sicherlich in der zweiten Bundesliga-Saison profitieren werden“, sagte Lommel, nachdem sich der erste Ärger über die verpasste Chance bei ihm etwas gesetzt hatte.

Der THW Kiel bleibt für Jörn-Uwe Lommel auch nach solch einem Spiel der Maßstab im Handball. Die Relationen haben sich nicht verschoben: Kiel kann erneut nach 2007 das Triple mit Champions League, Meisterschaft und Pokal gewinnen, die Füchse Berlin stehen als Aufsteiger auf einem beachtlichen zwölften Platz.

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