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Sport: Spielchen, wechsel dich

Beim 2 : 2 zwischen Stuttgart und Schalke hat die Einflussnahme der Trainer entscheidende Bedeutung

Es zählt zu den Absonderlichkeiten des Fußballs, dass selbst nach großen Spielen Kleinigkeiten in den Blickpunkt geraten. So war es auch nach dem 2:2 zwischen dem VfB Stuttgart und Schalke 04, dem aufregenden Duell des Meisters gegen den Vizemeister mit vier Toren, sieben Gelben Karten, einer durchweg hohen Intensität und spielerischen Qualität. Der VfB zum Beispiel hatte mehr als 80 Prozent seiner Pässe an den eigenen Mann gebracht, Schalke immerhin 73. Am Ende aber ging es nicht um eine erstaunlich reife Darbietung in diesem frühen Stadium der Saison; am Ende ging es vor allem um eine etwas holprige Einwechslung auf Stuttgarter Seite.

Etwas mehr als eine Stunde war gespielt, als VfB-Trainer Armin Veh von außen auf seine Mannschaft einwirken wollte. Mittelfeldspieler Antonio da Silva sollte vom Platz und an seiner Stelle Ewerthon als dritter Stürmer kommen. Stuttgart lag 0:1 zurück, doch dann änderte sich auf dem Rasen die Geschäftsgrundlage: Innerhalb von vier Minuten machten Khedira und Pardo aus dem 0:1 ein 2:1 für den VfB, die Aufstockung der Offensive war damit hinfällig geworden. Als der vierte Offizielle kurz darauf trotzdem fälschlicherweise die 25 da Silvas anzeigte, musste Veh Ewerthons Einwechslung erst einmal stornieren. Noch in derselben Minute erzielte Ivan Rakitic das Tor zum 2:2-Endstand für die Schalker.

Hatte eine missglückte Einwechslung den VfB um den Sieg gebracht? Nein, sagte Veh. Es war wohl eher so, dass eine geglückte Einwechslung den Schalkern am Ende einen Punkt einbrachte. Rakitic war gerade fünf Minuten auf dem Feld, als er den Ball mit dem Außenrist an Fernando Meira vorbei legte und dann mit Wucht genau platzierte. „Es hat mich sehr gefreut, dass Ivan dieses Tor erzielt hat“, sagte Schalkes Trainer Mirko Slomka. „Weil er zeigen konnte, dass er diese Qualitäten hat.“

Der 19 Jahre alte Kroate war immer mehr zu einem Symbol für eine fragwürdige Transferpolitik der Schalker geworden. Während die Konkurrenz zum Teil erheblich in ihr Humankapital investiert hatte, hielt sich der Vizemeister erstaunlich zurück. Die vier Millionen Euro für Rakitic nehmen sich im Vergleich zu anderen Transfers dieses Sommers nicht nur extrem bescheiden aus, sie wurden auch als Indiz mangelnder Ambitionen in Gelsenkirchen gewertet. „Ich habe mich nicht verrückt machen lassen“, sagte Manager Andreas Müller. Die neuen Spieler, neben Rakitic der frühere Bielefelder Heiko Westermann und Jermaine Jones aus Frankfurt, hätten alle ihre Qualitäten, sagte Müller. Gegen Stuttgart aber reichten sie nur für einen Platz auf der Bank.

Man kann das auch positiv sehen: Die alte, eingespielte Mannschaft war schon so gut, dass sie nicht um der bloßen Veränderung willen verändert werden muss. Darüber hinaus verfügt Trainer Slomka jetzt über zusätzliche Möglichkeiten, treffend zu reagieren. Gegen Stuttgart nahm er zur Pause seinen offensiven Mittelfeldspieler Mesut Özil vom Feld. Der 18-Jährige hatte stark gespielt, doch Slomka war von dem Gefühl gepeinigt, dass seiner Mannschaft zunehmend der Zugriff aufs Mittelfeld entglitt. Also schickte er mit Jermaine Jones einen dritten defensiven Mittelfeldspieler auf den Platz.

Solche Reaktionen entspringen zumeist einer Mischung aus echter und angenommener Bedrohung. Im modernen Fußball geht es mehr denn je darum, die Deutungshoheit über das Spiel zu gewinnen, den Gegner zu bestimmten Reaktionen zu zwingen, manchmal reicht dazu eine Auswechslung. Am Freitag gelang dies beiden Mannschaften, jeder zu ihrer Zeit. Es war beeindruckend, wie der VfB dem Gegner nach der Pause seinen Willen aufzwang, obwohl die Schalker sieben Defensivspieler auf dem Feld hatten. Die Initiative büßten die Stuttgarter allerdings wieder ein, nachdem Slomka in seinem Mittelfeld den Urzustand wiederhergestellt und die Position hinter den Spitzen mit Rakitic besetzt hatte. Schalke spielte wieder wie zu Beginn – und ganz anders. Weil das Spiel ein anderes geworden war.

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