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Balotelli

© AFP

Italien: Spitzenspiel unter Verdacht

Wenn Juve auf Inter trifft, schwingt Rassismus mit. Um den Inter-Spieler Mario Balotelli ist ein richtiger Zwist entstanden.

Mario Balotelli, der vor 19 Jahren in Palermo geborene Sohn ghanaischer Einwanderer, gibt sich gerne angriffslustig – und zwar im Spielgeschehen. In der Fußballarena scheut der Spieler von Inter Mailand keine Auseinandersetzung. Auf Gegenspieler nimmt er wenig Rücksicht. Das Publikum fordert er, wenn es ihn auspfeift, gern zum Schweigen auf. Vor seinem Arbeitgeber duckt er sich nicht. Freunde macht er sich damit kaum und so ist ein richtiger Zwist um Balotelli entstanden. Zum Streitobjekt, um das sich seit vergangener Saison die Sportrichter und seit kurzem sogar Parlamentarier kümmern müssen, wird der junge Mann, weil auf ihn ein wüstes rassistisches Geschimpfe einprasselt.

Besonders perfide ist es, weil es im Windschatten der Verteidigung der guten Sitten dahersegelt. Gestandene Profis wie der Römer Francesco Totti kritisieren nicht nur gern öffentlich das zuweilen forsche Auftreten des jungen Stars von Inter Mailand, sie signalisieren auch Verständnis dafür, dass dieser von den Rängen mit Affen verglichen, in den Urwald zurückgeschickt und sogar lieber tot als lebendig gesehen wird. Für Männer wie Totti ist Balotelli der Auslöser solcher Sprechchöre und Transparente im Stadion und der Ballung von Hassforen im Internet.

Besonders hoch schlagen die rassistischen Wogen im Turiner Olympiastadion. Bereits im April hatte der harte Kern des weiß-schwarzen Fanlagers Balotelli nach dessen Tor für Inter mit beleidigenden Gesängen derart provoziert, dass er sich erst die gelbe Karte abholte und von Coach Mourinho aus Angst vor einem Platzverweis ausgewechselt werden musste. Inter-Besitzer Massimo Moratti verkündete danach: „Ich hätte die Mannschaft zurückgezogen, wenn ich im Stadion gewesen wäre.“ Am Samstag wird er Gelegenheit zu diesem Schritt bekommen: Inter tritt dann wieder bei Juventus an. In den vergangenen Wochen hatten die Juve-Fans selbst bei Spielen, an denen Inter nicht beteiligt war, Stimmung gegen Balotelli gemacht. Im Heimspiel gegen Udinese wünschten sie ihm den Tod. Beim Auswärtsspiel in der Champions League in Bordeaux wandelten sie erst auf Eingreifen Buffons, der einen Punktabzug im Nachhinein fürchtete, die rassistischen Beschimpfungen in die allgemein üblichen Inter-Verunglimpfungen um. Wohlgemerkt: Es spielte Bordeaux gegen Juventus.

Angesichts dieses Klimas wurde im Vorfeld eine Austragung des Duells zwischen Juventus und Inter auf neutralem Platz erwogen. Inter-Coach Mourinho wandte sich dagegen. Er möchte vermeiden, dass die Spielverlegung den Ausschlag über die Meisterschaft gibt. „Wir wollen sie im Olympiastadion besiegen“, sagte er. Wahrscheinlich wird er bei diesem Unterfangen auf Balotelli verzichten. Nicht, um ihn vor rassistischen Angriffen zu schützen. Mourinho hatte ihm kühl geraten: „Daran muss er sich gewöhnen. Er muss lernen, sich zu beherrschen.“ Der Trainer steckt vielmehr in einer Dauerfehde mit seinem Jungstar und setzte ihn zuletzt wegen angeblich mangelnden Trainingseifers auf die Tribüne.

Mourinho ist nicht gewillt, bei einem rassistischen Sprechchor gegen den anwesenden oder abwesenden Balotelli die Mannschaft aus Protest vom Platz zu nehmen. „Dann verlieren wir drei Punkte“, erklärte er. Die Verantwortung wird an die Schiedsrichter abgeschoben. Sie sollen beim ersten Vorfall das Spiel für zehn Minuten unterbrechen und im Wiederholungsfalle ganz abbrechen. Ein Punktabzug, wie es die neue Antirassismus-Regelung des Weltverbands Fifa vorsieht, wird in Italien übrigens nicht diskutiert. Da geht es nur um Strafen, die die millionenschweren Klubs aus der Portokasse begleichen können.

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