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Unfair? Die Erfolge der 16-jährigen Schwimmerin Ye Shiwen zogen Dopingverdächtigungen nach sich.

© AFP

Starke Sportnation: China: Die Sieger mit der Opfermentalität

Der zweite Platz im Medaillenspiegel bei den Olympischen Spielen von London ist für China ein Beleg für den Aufstieg zur Weltmacht – trotzdem fühlt man sich vom Westen benachteiligt.

Am Samstag hat die 21 Jahre alte Geherin Qieyang Shenjie mit der Bronzemedaille über 20 Kilometer Gehen Sportgeschichte geschrieben, doch im Ziel wartete eine weitaus schwierigere Aufgabe auf sie. Weil sie als erste Tibeterin für China an Olympischen Spielen teilgenommen hat, wurde sie mit politisch heiklen Fragen konfrontiert: Ob sie die in China verbotenen tibetischen Fahnen an der Strecke gesehen habe, wollte einer wissen. Qieyang Shenjie schüttelte nur den Kopf und verweigerte die Antwort. Andere fragten, warum sie im Juli in die Kommunistische Partei Chinas eingetreten sei. „Warum, ich, ich, was soll ich sagen …“, antwortete sie laut Medienberichten, „es ist alles in Ordnung.“

Die Tibeterin Qieyang Shenjie personifiziert die politische Dimension der Spiele. Vor Olympia in Peking hatte Chinas Staatspräsident Hu Jintao zwar gesagt: „Vermischt die Politik nicht mit den Spielen.“ Doch vier Jahre später hält sich vor allem in China kaum einer daran. So empfinden viele chinesische Medien, dass Chinas zweiter Platz in der Medaillenwertung auch den gewachsenen wirtschaftlichen und politischen Einfluss der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt widerspiegelt. Gleichzeitig aber fühlen sich manche chinesische Medien von der westlichen Sportwelt um Medaillen betrogen – und sehen auch darin eine Parallele zur Politik. „Es ist unvermeidbar, dass wir im Prozess des Aufstiegs Neid und unerwarteten Hindernissen begegnen, wie es auch auf anderen Gebieten der Fall ist“, sagte Qu Xing, Direktor des China-Institutes für Internationale Studien der „Global Times“. Die „Volkszeitung“, Sprachrohr der Kommunistischen Partei, drückt das Opfergefühl noch direkter aus: „Es ist Zeit, die Arroganz und Vorurteile gegenüber China niederzureißen.“

Bildergalerie: Die Pannen der Olympia-Organisatoren:

Als Beispiel für die Voreingenommenheit gegenüber chinesischen Athleten wird etwa die Hammerwerferin Zhang Wenxiu gesehen, die nach einem korrigierten Messfehler Bronze an Betty Heidler verlor. Oder die Zurückstufung des chinesischen Bahnradteams der Frauen auf Silber (das deutsche Paar gewann Gold) und der zweite Platz des Turners Chen Yibing. Chinas Vizesportminister Zhang Wenxiu erklärte: „Wir müssen das Problem jetzt lösen oder wir riskieren, dass noch mehr Kampfrichter einen voreingenommenen Blick einnehmen.“

Als unfair wurden auch die Dopingverdächtigungen gegen Schwimmerin Ye Shiwen empfunden. Für „rassistisch“ hielt es sogar die eher liberale Webseite Caixin.com, dass die Goldmedaillen der 16-jährigen Chinesin in westlichen Medien Dopingverdächtigungen hervorriefen, die Erfolge der 15-jährigen Litauerin Ruta Meilutyte aber nicht.

Es gibt aber auch nachdenklichere Töne in China. „Es ist sehr ermüdend, die Spiele mit einer Opfermentalität zu sehen“, schreibt „China Youth Daily“; anderen Nationen seien ähnliche Ungerechtigkeiten widerfahren. Und auch über Chinas Goldbesessenheit wird diskutiert. Den Anlass dazu gab der Gewichtheber Wu Jingbiao, der sich unter Tränen beim ganzen Land entschuldigte. Er hatte nur Silber gewonnen.

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