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STEIL Pass: Keine Profis, keine Anfänger

Philipp Köster hat Mitleid mit Fußballspielern

Mein jüngerer Bruder spielt Gitarre und war neulich auf der Suche nach einer passenden Band. Also blätterte er in einer Anzeigenpostille des Ruhrgebiets und fand die Annonce einer halbwegs ambitionierten Band, die als Hinweis formuliert hatte: „Keine Anfänger, keine Profis!“ Mein Bruder war weder noch, rief also an, hockte zwei Tage später im Übungskeller und spielte ein wenig nervös zur Probe vor. Er sei der Einzige, der sich auf die Anzeige gemeldet habe, wurde ihm mitgeteilt, was mein Bruder schon fast als Zusage interpretierte. Drei Tage später hatte sich die Band allerdings immer noch nicht zurückgemeldet. Wir telefonierten, und mein Bruder sagte: „So wie ich muss sich ein Fußballspieler nach einem Probetraining bei Arsenal oder Barcelona fühlen.“

Ich fand den Vergleich zwischen der Band ohne Gitarristen und Arsenal zwar etwas schief, machte mir allerdings erstmals darüber Gedanken, dass das Leben als Profikicker durchaus auch seine schwierigen Momente hat. Das Klischee kennt ja nur den neureichen Jungprofi, der ein dickes Auto fährt, sich im Training nicht überanstrengen muss und am Wochenende sein Trikot nicht dreckig macht.

Aber wir wissen ziemlich wenig von all den Ängsten und Nöten der Profis, vom Druck der Medien und den Erwartungen der Fans. Und haben keine Ahnung davon, wie das eigentlich ist, in eine fremde Stadt zu reisen, mit einer völlig unbekannten Mannschaft zu trainieren, von jetzt auf gleich volle Leistung bringen zu müssen, dann wieder nach Hause zu fahren, dann tagelang, vielleicht auch über Wochen nichts vom Klub zu hören, und dann vielleicht eine Absage zu bekommen. Und das nicht nur einmal, sondern vielleicht sogar fünf- oder zehnmal hintereinander?

Mein Bruder, um darauf zurückzukommen, hat von der Band übrigens auch nichts mehr gehört. Als er aber in der nächsten Woche das Anzeigenblatt aufschlug, stand da wieder die Annonce der Band, mit leicht verändertem Text: „Keine Anfänger, keine Profis, keine Spinner.“

Philipp Köster schreibt an dieser Stelle im Wechsel mit Stefan Hermanns.

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