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Ski alpin: Steiler geht’s nicht

Am Samstag wurden die Super-G-Rennen in Garmisch-Partenkrichen abgesagt. Wie gefährlich die neue Kandahar-Abfahrt ist.

Am Samstagvormittag schlug im „Osterfelder Hof“ die Stunde der Machos. In diesem Gasthof am Fuße der Kandahar-Strecke hatten sich die Medienvertreter versammelt, die über die Weltcup-Abfahrt der Männer und den Super-G der Frauen berichten wollten. Doch weil wegen dichten Nebels beide Rennen immer wieder verschoben wurden, kam im Viertelstundentakt ein Vertreter des Deutschen Skiverbandes in die Gaststube und verkündete neue Termine. „Start der Herrenabfahrt um 12.30 Uhr“, rief er in den Raum, „über die Frauen wird noch diskutiert.“ Ein Zuhörer, männlich, antwortete: „Wie immer.“ Später gab der Mann vom Skiverband bekannt: „Start der Herren 12.45 Uhr, keine Informationen über die Frauen.“ Niemand sagte etwas. Doch einige Zuhörer, männlich, grinsten.

Am Ende aber ist in Garmisch-Partenkirchen kein Geschlecht diskriminiert worden. Am frühen Nachmittag mussten beide Rennen wegen dichten Nebels auf der Strecke abgesagt werden. Eher sind sogar die Männer benachteiligt, weil ihr Abfahrtsrennen ersatzlos ausfällt, während die Frauen mit der Gesamtweltcupzweiten Maria Riesch heute um 10.30 Uhr einen Ersatztermin erhalten haben. „Das ist schon sehr schade“, ärgerte sich der österreichische Skirennfahrer Hermann Maier, der die beste Trainingszeit gefahren war, „mir tun auch die Zuschauer leid, die hier gewartet haben.“

Besonders betroffen aber sind die Organisatoren in Garmisch-Partenkirchen, die der Weltöffentlichkeit die neue Kandahar-Abfahrt vorführen wollten. Die Strecke, die nach dem Baron „Roberts of Kandahar“ benannt ist, wurde für die Skiweltmeisterschaft 2011 umgebaut und ist Teil der Münchner Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018. „Die Absage ist bitter für Garmisch“, sagte ein Streckenposten, der stundenlang in der Kälte ausgeharrt hatte.

Die Weltelite muss nun ein weiteres Jahr warten, um eine der schwierigsten Strecken im Weltcupzirkus neu kennenzulernen. Zwar sind einige Passagen entschärft worden, bei den Herren fallen Hölle und Fis-Schneise weg. Dafür müssen die Frauen heute durch diesen gefährlichen Abschnitt. Und die Herrenabfahrt führt inzwischen über den Freien Fall, einen Sprung mit einem Gefälle von 100 Prozent. Dieser neu konstruierte 70-Meter-Sprung ist die steilste Stelle im Weltcup, sogar die berüchtigte Streif kommt nur auf 84 Prozent. Dort war vor einer Woche im Training der Schweizer Daniel Albrecht schwer gestürzt, er befindet sich weiter im künstlichen Koma. Auf der alten Kandahar-Abfahrt ist vor 15 Jahren die Österreicherin Ulrike Maier tödlich verunglückt. Trotzdem gilt die neue Strecke in Garmisch-Partenkirchen als verhältnismäßig sicher.

„Für die Zuschauer ist sie attraktiver geworden“, sagt der Liechtensteiner Marco Büchel, „aber für uns ist sie nicht gefährlicher geworden.“ Ans Limit geht sie trotzdem, findet Hermann Maier. „Man darf zu keinem Zeitpunkt abschalten“, sagt der österreichische Ski-Held, „man muss Respekt mitbringen.“ Der Freie Fall soll trotz seiner Rekordneigung nicht gefährlicher sein als der Zielsprung auf der Streif, der ins Flache führt. Auf der Kandahar-Abfahrt springen die Fahrer aber in die Tiefe. „Der neue untere Teil bringt für die Zuschauer mehr Erlebniswert“, sagt Fis-Renndirektor Günter Hujara. Der Chef des alpinen Skirennsports weiß, dass sein Sport stets einen schwierigen Spagat vollführt: Er muss Spektakel bieten, aber auch Sicherheit gewährleisten. An diesem Samstag hat es immerhin keinen schweren Unfall gegeben. Ein Spektakel aber auch nicht.

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