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Sport: Sturz auf Platz vier

Markus Schick stellte Sven Hannawald im Auslauf eine Frage, die wahrscheinlich nur Skispringer verstehen. "Bist du gerodelt oder gestürzt?

Markus Schick stellte Sven Hannawald im Auslauf eine Frage, die wahrscheinlich nur Skispringer verstehen. "Bist du gerodelt oder gestürzt?", wollte der Pressesprecher des Deutschen Skiverbandes (DSV) wissen. Außenstehenden muss so eine Frage seltsam vorkommen, was hat Rodeln mit Skispringen zu tun? Doch auf diese Weise unterscheiden die Skispringer eine verunglückte Landung von der anderen. Und wahrlich, das war eine verunglückte Landung, die Sven Hannawald bei seinem zweiten Sprung von der Großschanze hingelegt hatte. Nach dem Aufprall bei der 131-Metermarke rutschte er auf dem Rücken liegend mit seinen Skiern den Hang hinunter und griff in den Schnee, um nicht umzukippen. Zwar konnte er sich im Auslauf aufrichten, trotzdem ärgerte ihn der Fehler: "Das war ja kein Bauernspringen."

Mehr zum Thema Fotostrecke: Bilder aus Salt Lake City Tagesspiegel: Berichte von Olympia Newsticker: Aktuelle Nachrichten von den XIX. Winterspielen sowie weitere Sportmeldungen Nein, das war Skispringen auf der Großschanze bei den Olympischen Winterspielen 2002. Nach dem ersten Durchgang hatte Hannawald gemeinsam mit dem späteren Sieger Simon Ammann in Führung gelegen, doch die geringe Punktewertung für seine verunglückte Landung ließ ihn schließlich auf Rang vier zurückfallen. "Es ist schon ziemlich heftig, dass so etwas bei Olympia passieren muss", sagte Hannawald. Der Schweizer Ammann feierte mit 132,5 und 133 Metern einen eindeutigen zweiten Olympiasieg, doch der Zweitplatzierte Adam Malysz aus Polen und der Bronzemedaillengewinner Matti Hautamäki aus Finnland profitierten vom Hannawalds Sturz. Der Hautamäki lag am Ende nur 0,7 Punkte vor dem Deutschen.

"Mein Glück war das Pech von Sven Hannawald", sagte Hautamäki. Kurzzeitig hatte er Finne sogar noch um seine Medaille bangen müssen, denn das deutsche Team hatte Protest eingelegt. Es wollte noch die Frage klären, ob Hannawald nun gerodelt oder gestürzt sei. Das muss man erklären: Wer bei der Landung nur kurz mit der Hand in den Schnee greift, der "rodelt" in der Sprache der Skispringer und bekommt von den Punkterichtern fünf Punkte Abzug von der Höchstnote 20. Wer mit dem ganzen Körper im Schnee liegt, gilt als "gestürzt" und bekommt sieben Punkte Abzug. Die meisten Punktrichter hatten sieben Punkte abgezogen, dabei glaubte Hannwald: "Ich bin gerodelt." Doch Rudi Tusch das Video noch einmal sah, zog der Technische Leiter Ski Nordisch des DSV den Protest wieder zurück. Tusch sagte: "Der Sprung war eindeutig gestürzt." Trotzdem war er mit den Kampfrichtern nicht zufrieden. "Sieben Punkte Abzug ist okay, aber drei Punkterichter haben nur 11,5 gegeben, da fehlt mindestens ein Punkt." Und mit einem Zähler mehr hätte Hannawald noch Bronze bekommen.

Hannawald interessierte diese Frage gar nicht so sehr. "Nach dem Sturz hätte ich mit Rang sieben bis zehn gerechnet, ich war noch überrascht, dass ich auf Platz vier landete." Schon am Vortag im Training war er gestürzt. Seine Schwierigkeiten bei der Landung schreibt er der Schanze zu. "Ich bin schwerer als Ammann und Malysz, da lande ich bei diesen Weiten gleich Mal auf dem Popo." Als Favorit war Hannawald angereist, nun muss er sich nach den Einzelwettbewerben mit einer Silbermedaille von der Normalschanze begnügen. Das war umso ärgerlicher für ihn, als er auf der Großschanze mit 132,5 Metern und 131 Metern sehr gut gesprungen war. "Es war eigentlich ein sehr schöner Wettbewerb", sagte Hannawald. Für Martin Schmitt, der nur auf dem zehnten Rang landete, gilt das nicht. "Es liegt nicht an der Schanze", sagte der ehemalige Weltcupsieger, "ich habe hier nie zwei 100prozentige Sprünge gemacht." Jetzt bleibt ihm nur noch eine Chance auf eine Medaille, am Montag beim Mannschaftsspringen. 1998 In Nagano hatten die Deutschen Silber geholt.

Am Ende bot sich das gleiche Bild wie nach dem Springen auf der Normalschanze. Ammann zieht vor jeder Kameralinse euphorisch Grimassen. Er, der nie zuvor ein Weltcupspringen gewonnen, ist plötzlich Doppelolympiasieger. Die Olympischen Spiele sind sein erster Wettbewerb nach seinem Sturz in Willingen, wo er eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. "Ich habe in der Pause den Stress verdaut und mich in Ruhe auf Olympia vorbereitet", sagte Ammann. Der Weg zum Gold begann mit einem Sturz. Hannawald sollte sich das für das Mannschaftsspringen merken.

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