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Sven Ulreich hat beim FC Bayern nun schon mehrfach Manuel Neuer gut vertreten. Auch deshalb habe er sich die DFB-Nominierung verdient.

© AFP

Sven Ulreich bei der Nationalmannschaft: Der Spätberufene macht keinen Stunk

Mit fast 31 Jahren wird Sven Ulreich erstmals zum Nationalteam eingeladen – der Hierarchie im Tor wird es nichts anhaben.

Manuel Neuer ist in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen. Aber er gehörte offenbar nicht zu jener Hälfte des Ruhrgebiets, die, wie Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, gesagt hat, jedes Wochenende über die nahe deutsch-holländische Grenze fährt, um in Venlo günstig einzukaufen. „Neuland ist das hier für mich nicht“, sagt Torhüter Neuer, der sich gerade mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Venlo auf die anstehenden EM-Qualifikationsspiele vorbereitet. Aber er kennt die Region nicht von Shoppingtouren mit seinen Eltern, sondern eher von Jugendspielen mit seinem früheren Klub Schalke 04.

Mit Tipps, wo man in Venlo am besten einkaufen kann, dürfte Neuer in diesen Tagen daher nicht glänzen; in allen sportlichen Fragen aber kann er ein wichtiger Ratgeber sein. Vor allem für Sven Ulreich, seinen Torhüterkollegen vom FC Bayern München. Mit jetzt fast 31 Jahren ist Ulreich erstmals in die Nationalmannschaft berufen worden. „Er hat sich die Nominierung verdient“, sagt Bundestorwarttrainer Andreas Köpke.

Trotzdem ist es eine kuriose Situation: Von den drei Torhütern, die Köpke und sein Chef Joachim Löw für die Länderspiele in Weißrussland am Samstag und gegen Estland am kommenden Dienstag nominiert haben, stehen zwei bei den Bayern unter Vertrag. Geschuldet ist das einem mittelschweren Personalengpass. Dass Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona wegen Patellasehnenproblemen nicht zur Verfügung steht, ist schon länger bekannt; kurzfristig musste auch noch Bernd Leno vom FC Arsenal wegen eines Bänderrisses im Daumen passen. Und bei der U 21 wollte sich Köpke nicht bedienen, weil die sich gerade auf die Mitte des Monats beginnende Europameisterschaft vorbereitet.

Die Entscheidung für Ulreich war unter den gegebenen Umständen ebenso naheliegend wie ungewöhnlich. Naheliegend, weil er schon vor einem Jahr ein Kandidat für die WM in Russland war. Allerdings hatte das vor allem damit zu tun, dass nicht abzusehen war, ob Manuel Neuer rechtzeitig zum Turnier ausreichend fit werden würde. Neuer oder Ulreich – das war damals die Frage. Jetzt lautet die Antwort des Trainerteams auf die komplizierte Personalsituation: Neuer und Ulreich. „Das kommt ja nicht so häufig vor, dass zwei Torhüter aus einem Verein kommen“, sagt selbst Manuel Neuer.

Ulreich wird allenfalls im Notfall gebraucht

Aber Ulreichs Nominierung ist eine, die niemandem weh tut. „Wenn er gebraucht wird, ist er da“, sagt Andreas Köpke. Das war vor einem Jahr so, als Neuer den Bayern monatelang fehlte, und das war auch in den vergangenen Wochen so, als Neuer wegen eines Muskelfaserrisses in der Wade die Endphase der Bundesligasaison verpasste. Was aber mindestens ebenso wichtig ist: Wenn Ulreich nicht gebraucht wird, macht er keinen Stunk.

Im Sommer 2015 ist Sven Ulreich als Nummer eins vom VfB Stuttgart zu den Bayern gewechselt – mit der klaren Perspektive, im Normalfall auf der Bank zu sitzen. Genau diese Perspektive hat er jetzt auch bei der Nationalmannschaft. Für das Spiel in Weißrussland hat Andreas Köpke angekündigt, dass Neuer als Stammtorhüter und Kapitän natürlich spielen werde.

Ulreich wird in den kommenden Tagen allenfalls im Notfall gebraucht, denn schon jetzt stehen dem Bundestrainer vier erstklassige Torhüter für nur drei Positionen zu verfügen. Und eine weitere Verschärfung des Konkurrenzkampfes ist politisch nicht erwünscht. Die Verhältnisse sind zementiert – zumindest für Löw und Köpke. Neuer, 33, ist zwar nun im dritten Jahr hintereinander in der entscheidenden Saisonphase ausgefallen. Trotzdem ist und bleibt er für das Trainerteam die Nummer eins. Ter Stegen, 27, darf sich mittlerweile als erster Herausforderer fühlen, während Leno, 27, und Trapp, 28, sich um den dritten Platz im EM-Kader duellieren.

Torwarttrainer Köpke hat Neuers starke Leistung bei seinem Comeback im Pokalfinale erfreut zur Kenntnis genommen – weil sie ihn in seiner grundsätzlichen Einstellung zur Hierarchie bei den Torhütern bestätigt haben dürfte. „Es ist nicht selbstverständlich, dass er nach seiner Verletzung so stark zurückkommt“, sagte Köpke. Einige Witzbolde haben schon gescherzt, dass sich Neuer mit seiner Parade gegen Leipzigs Poulsen in der ersten Halbzeit des Pokalfinales den Stammplatz bei der EM 2020 gesichert habe – und mit der Parade gegen Emil Forsberg nach der Pause den Stammplatz bei der WM 2022. Dann wäre er 36. „Grundsätzlich liebe ich meinen Beruf“, sagt Manuel Neuer. „Ich möchte so lange spielen, wie mein Körper sagt: Es funktioniert, es macht Spaß. Noch fühle ich mich sehr gut. Dementsprechend mache ich erst mal weiter.“

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