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Rafael Nadal

© AFP

Tennis: Götterdämmerung

Im Halbdunkel wurde Geschichte geschrieben. Nadals denkwürdiger Sieg im Wimbledon läutet das Ende der Ära Federer ein.

Roger Federer konnte es kaum ertragen. Im Blitzlichtgewitter der Fotografen reckte Rafael Nadal auf dem Center Court von Wimbledon die goldene Trophäe in die Höhe, jene, die doch eigentlich ihm gehören sollte. Federer hatte fest daran geglaubt, dass er es wie Pete Sampras bei seinem siebten Titel damals vor acht Jahren machen und hier genauso im Dämmerlicht triumphieren würde.

Zum sechsten Mal in Folge wollte Federer in dem Stadion gewinnen, das ihm so viel bedeutet, auf dessen Rasen er unbezwingbar schien. Dass er es nicht schaffte, traf Federer bis in sein Innerstes: "Bei der Zeremonie wollte ich am liebsten nur noch runter vom Platz. Ich konnte nicht mit ansehen, dass jemand anders meine Trophäe in der Hand hält.“ Federer hoffte wohl, aus diesem Albtraum noch erwachen zu können, doch der 6:4, 6:4, 6:7, 6:7, 9:7-Erfolg von Nadal war bittere Realität.

In Wimbledon sprach die Urgewalt

"Das ist bei weitem meine schlimmste Niederlage“, sagte Federer und man konnte hören, wie er schluckte, "in Wimbledon zu verlieren, ist besonders hart für mich.“ Es vermochte den Weltranglistenersten nicht zu trösten, dass er mit dem Spanier ein Endspiel austrug, wie es die Zuschauer in Wimbledon noch nie gesehen hatten. Beide schrieben mit dem längsten Wimbledon-Finale in 4:48 Stunden Geschichte – und mit einer Dramatik und einem Niveau, an das man sich ewig erinnern wird.

Nadal brach zu Beginn wie eine Urgewalt über Federer herein. Die Wucht seiner Schläge drängte den Schweizer in die Defensive. Immer wieder stieß Federer Schreie aus, haderte mit sich und konnte nicht begreifen, wie er mit 0:2 nach Sätzen zurückliegen konnte. Der Champion schien kurz vor dem Aus, doch kampflos wollte sich Federer nicht ergeben. Nicht gegen Nadal, und schon gar nicht auf seinem Center Court.

Schweizer Traum endete im Halbdunkel

Beide trieben sich nun dazu, noch aus den unmöglichsten Positionen Passierbälle zu schlagen. Besonders in den Tiebreaks stockte den Zuschauern mehrfach der Atem, denn dort überboten sich die beiden Kontrahenten geradezu mit Kunstschlägen. Federer hielt dem Druck stand, wehrte zwei Matchbälle Nadals ab. Als zu Beginn des fünften Durchgangs erneut wegen Regens unterbrochen werden musste, hoffte Federer, das Match würde am Montag beendet, denn es dämmerte bereits über Wimbledon. Doch das Spiel wurde fortgesetzt und für den Schweizer endete im Halbdunkel der Traum von der Rekordjagd.

Nadal hatte Federers Serie von 65 Siegen auf Rasen mit einem Schlag unterbrochen und damit gleichsam das Ende einer Ära eingeläutet. Dass der Spanier mit allein vier Titeln in Roland Garros der unbestrittene Sandplatzkönig ist, hatte Federer zuletzt im Finale von Paris in seiner bittersten Lehrstunde schmerzvoll erfahren. Doch dass Nadal nun auch in seine Bastion eindrang, und erstmals seit Björn Borg 1980 die beiden Titel hintereinander gewinnen konnte, war für ihn sichtlich ein Schock: "Ich werde lange brauchen, um das zu verarbeiten.“

Nadal: Roger ist immer noch die Nummer eins

Für Nadal hatte sich dagegen ein Kindheitstraum erfüllt und erstmals sah man den 22-Jährigen mit Tränen in den Augen. "Roger ist immer noch der Beste. Er ist die Nummer eins“, sagte Nadal, als wolle er Federer trösten. Doch es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis er auch diesen Nimbus an Nadal eingebüßt hat.

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