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Einer wie alle. Ryan McIntosh möchte nicht auffallen, mit seinem Auftritt als Balljunge bei den US Open aber inspirieren. Foto: dapd

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Sport: Tennisball statt Handgranate 23-Jähriger mit Prothese ist Balljunge bei US Open

New York - Die Ballkinder auf Court 4 in Flushing Meadows gehen routiniert ihrer Arbeit nach, jeder Handgriff sitzt. Sie flitzen den Tennisbällen hinterher, reichen den Spielern Handtücher und Wasserflaschen an, schützen sie bei Seitenwechseln mit einem Schirm vor der Sonne.

New York - Die Ballkinder auf Court 4 in Flushing Meadows gehen routiniert ihrer Arbeit nach, jeder Handgriff sitzt. Sie flitzen den Tennisbällen hinterher, reichen den Spielern Handtücher und Wasserflaschen an, schützen sie bei Seitenwechseln mit einem Schirm vor der Sonne. Und das alles tun sie mit einstudierter Disziplin und der Unauffälligkeit eines hochherrschaftlichen Dieners für 7,75 Dollar pro Stunde. Ryan McIntosh ist einer von ihnen, obwohl er mit seinen 23 Jahren schon zu den älteren Balljungen bei den US Open zählt. Auch er erledigt seine Arbeit genauso sorgfältig, und so fällt die Kohlefaser-Prothese an seinem rechten Bein zunächst kaum auf.

„Wenn ich hier bin, bin ich einfach nur ein Balljunge und nichts Besonderes“, sagt McIntosh. Er ist Soldat der US-Armee, vor zwei Jahren trat er bei einem Erkundungsgang seiner Truppe in der Nähe von Kandahar in Afghanistan auf eine Landmine. Die Wucht der Detonation habe ihn drei Meter in die Luft geschleudert, erzählt er, im Krankenhaus musste ihm der Unterschenkel amputiert werden. Doch McIntosh sieht sich nicht als Opfer. Auf seiner Prothese hat er einen Aufkleber befestigt mit der Botschaft: „Freiheit ist nicht umsonst, aber es lohnt sich, für sie zu kämpfen.“

McIntosh ist der Teil einer Initiative des amerikanischen Tennisverbandes USTA, die versucht, Mitgliedern des Militärs die physischen und psychologischen Vorteile des Tennissports nahe zu bringen. Am letzten Montag, dem „Military Day“, saßen einige verwundete Soldaten auf der Tribüne im Arthur-Ashe-Stadium. McIntosh stand dort, im größten Tennisstadion der Welt, als Balljunge auf dem Platz: „Ich möchte ihnen Mut machen und ihnen zeigen: Seht her, ihr könnt immer noch alles tun, was ihr wollt.“ Für den Sommerjob als Balljunge hatte er sich beworben, wie alle anderen 600 Kandidaten auch. Er wurde nicht bevorzugt, sondern musste zeigen, dass er die Arbeiten problemlos erledigen kann. „Sie haben mich gefragt: ,Kannst du einen Tennisball werfen?’ Da sagte ich: .Ich habe Handgranaten geworfen, da werde ich wohl auch mit einem Tennisball umgehen können.’“

Seine Art wirkt mitunter etwas derb und sehr direkt, doch er sagt, er müsse es sein. Schließlich arbeite er normalerweise im Rehabilitationsprogramm der Armee und versucht, verletzte Soldaten an den Sport heranzuführen. Manche müsse man da eben ein wenig in den Hintern treten, meint McIntosh. Bei ihm selbst war das gar nicht nötig. Denn drei Monate nach seinem Unfall kam sein Sohn Kaden zur Welt, und für ihn wollte er so schnell wie möglich wieder laufen lernen. „Er sollte nicht denken, dass mit seinem Papa irgendetwas anders ist.“

McIntosh möchte inspirieren, aber nicht auffallen, wenn er seine Arbeit auf dem Tennisplatz tut. So hat er es als Soldat gelernt und verinnerlicht. Dabei hatte McIntosh mit Tennis vorher eigentlich nie etwas anfangen können. In der Schulzeit war er ein guter Sprinter gewesen, sein Vater hatte ihn von klein auf trainiert. Auch die Paralympics hatten ihn nie besonders interessiert, doch nun möchte er 2016 in Rio de Janeiro bei den Spielen der Behindertensportler unbedingt dabei sein und am liebsten so schnell rennen wie Oscar Pistorius. Bis dahin wartet noch eine Menge Arbeit auf ihn, doch einfach herumsitzen war ohnehin nie seine Sache.

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