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Sport: Tor für Berti

Im Dortmunder Westfalenstadion erzielte Berti Vogts sein einziges Länderspieltor

Von Stefan Hermanns

Dortmund. Das Volk tobte, „Berti! Berti!“, riefen die Zuschauer im Dortmunder Westfalenstadion. Erich Beer zögerte. 3:0 führte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen Malta, als sie kurz vor der Pause einen Foulelfmeter zugesprochen bekam. Bundestrainer Helmut Schön hatte für einen solchen Fall Erich Beer von Hertha BSC als Schützen vorgesehen, aber der war „ein bissl verunsichert“, weil das ganze Stadion plötzlich den Namen von Vogts rief. Warum die Zuschauer das taten, weiß Beer auch nicht, vielleicht, weil die Zeitungen vor dem Spiel berichtet hatten, dass Vogts in 68 Länderspielen noch nie ein Tor geschossen hatte. Beer ging zu ihm. „Berti, schieß du!“, sagte er. „Das wäre doch ideal für ihn gewesen.“ Aber Vogts weigerte sich: „Du bist bestimmt.“ Beer schoss und traf zum 4:0.

„Man fühlte auf den Rängen mit Berti Vogts, der wieder um einen Torerfolg gekommen zu sein schien“, schrieb der Tagesspiegel. Schien. In der 82. Minute schlug der eingewechselte Hannes Bongartz von der rechten Seite eine Flanke in den Strafraum der Malteser, und mit einem Flugkopfball lenkte der 1,68 Meter große Verteidiger von Borussia Mönchengladbach den Ball zum 7:0 für die Deutschen ins Netz. Das Tor „brachte stürmische Ovationen von den Rängen“, berichtete der Tagesspiegel. Am Ende hieß es an diesem 28. Februar 1976 sogar 8:0.

„Gott sei Dank hat Berti später noch getroffen“, sagt Erich Beer, „sonst hätten mich die Zeitungen hinterher zerrissen.“ In der Kabine scherzte der Torschütze Vogts, dass er keine Geschenke brauche. „Ich hätte den Strafstoß auch dann nicht ausgeführt, wenn wir mit 10:0 vorn gelegen hätten“, sagte er. Beer findet, das sei „ganz typisch für ihn gewesen. Er war immer so korrekt.“

Das Tor gegen Malta war das einzige, das Vogts in seinen 96 Länderspielen für die deutsche Nationalmannschaft erzielt hat. Diese dürre Bilanz passt zu dem Bild, das sich die Öffentlichkeit von den fußballerischen Fähigkeiten des heutigen schottischen Nationaltrainers gemacht hat. Vogts erhielt den Spitznamen „Terrier“, weil er ein verbissener Verteidiger war – zum Grätschen geboren gewissermaßen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. In der Jugend, beim VfR Büttgen, spielte Vogts noch als Mittelstürmer, erst mit 16, in der Niederrhein-Auswahl, wurde er mit nachhaltigem Erfolg zum Abwehrspieler umfunktioniert. Doch auch noch bei Mönchengladbach übte er sich im Offensivspiel. In 419 Bundesligaspielen erzielte er 33 Tore. Dass Vogts in Länderspielen nur einmal traf, lag laut Rainer Bonhof, seinem früheren Kollegen und Assistenten, daran, „dass er nicht nach vorn durfte“.

Am Mittwoch kehrt Vogts als Trainer der schottischen Nationalmannschaft ins Westfalenstadion zurück. So freundlich wie vor 27 Jahren werden die Zuschauer diesmal wohl nicht zu ihm sein. Der Spieler Vogts war ein Liebling des Publikums, er wurde gefeiert, trat in populären Fernsehshows auf, war eine gefragte Figur für die Werbung. Der Trainer Vogts aber galt als bieder und blass, dünnhäutig und manchmal hilflos. Im Juni, beim Hinspiel gegen die Deutschen in Glasgow, riefen die deutschen Fans beim Stand von 0:1: „Berti raus!“ Es war fast wie zu der Zeit, als Vogts noch Bundestrainer war.

Berti Vogts selbst wollte sich zu seinem Tor gegen Malta nicht äußern: „Ich hab so viele Länderspieltore geschossen. An dieses eine kann ich mich nicht erinnern.“

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