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Sport: Tore für die Mafia

Der Fußball in der Türkei wird von einem Manipulationsskandal historischen Ausmaßes erschüttert

Die Polizei schlägt in einer landesweit abgestimmten Razzia gegen den bekanntesten Fußballklub des Landes zu. Der Vereinspräsident, einige Spieler des Rekordmeisters sowie Trainer und Offizielle anderer Erstligaklubs werden festgenommen, ihre Wohnungen durchsucht. Insgesamt landeten mehr als 50 Fußballfunktionäre und Spieler im Gefängnis. Was sich anhört wie das Drehbuch für einen Krimi, ist in der Türkei seit dem Wochenende Wirklichkeit. Polizei und Staatsanwaltschaft in Istanbul glauben beweisen zu können, dass Traditionsklub Fenerbahce Istanbul, der ehemalige Verein von Christoph Daum, in den größten Bestechungsskandal der türkischen Fußballgeschichte verwickelt ist.

Natürlich weist Fenerbahce alle Vorwürfe zurück; ein Vereinsfunktionär sprach wütend von einem „Polizeistaat“, der sich hier offenbare. Die Ermittlungen wurden von dem inzwischen versetzten Istanbuler Sonderstaatsanwalt Zekeriya Öz angestoßen, der für spektakuläre Fälle bekannt ist: Öz war der Mann, der Nachforschungen gegen hochrangige Militärs und andere mutmaßliche Mitglieder der Verschwörerbande „Ergenekon“ begann und fast 200 Offiziere unter Putschverdacht vor Gericht brachte. Der Fall „Ergenekon“ war entscheidend bei der Entmachtung der Militärs – nun stehe mit dem Fußballskandal ein ähnlicher Wendepunkt für den Sport an, kommentierten einige Zeitungen.

Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht Fenerbahces Präsident Aziz Yildirim, ein wohlhabender Bauunternehmer. Er soll seinem Verein in der jüngsten Saison mit unerlaubten Mitteln den Titel gesichert haben; die Staatsanwaltschaft ließ ihn abhören. Yildirim soll für seine Bestechungsabsprachen insgesamt 13 verschiedene Telefonnummern benutzt haben. Nach Zeitungsberichten wurden Gegner des gefährlichsten Fenerbahce-Rivalen, des Vereins Trabzonspor vom Schwarzen Meer, mit Sonderzahlungen zu besonderen Höchstleistungen motiviert. Gleichzeitig sollen Spieler und Funktionäre von Fenerbahces Gegnern gegen Zahlungen von umgerechnet bis zu 340 000 Euro dem Istanbuler Verein das Leben besonders leicht gemacht haben. Yildirim bediente sich für die Abwicklung der Zahlungen demnach der türkischen Mafia.

Mit besonderem Interesse registrierten die türkischen Medien die Festnahme von Korcan Celikay, des Torwarts des anatolischen Erstligisten Sivasspor. Mit einem 4:3-Auswärtssieg gegen Sivasspor hatte sich Fenerbahce im Mai die Meisterschaft gesichert. In der 41. Minute des Spiels ließ Celikay einen durchaus haltbaren Distanzschuss von Fenerbahce ins Tor kullern. Insgesamt haben die Behörden laut Presse bis zu 20 Begegnungen unter die Lupe genommen.

Ob Haftbefehl gegen Yildirim erlassen wird, stand am Dienstag noch nicht fest. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft, sein Verein könnte zur Strafe in eine untere Liga versetzt werden, der Meistertitel wäre futsch. In Ankara erklärte Vizepremier Bülent Arinc, es sei ein Zeichen für die Funktionsfähigkeit des türkischen Rechtsstaates, wenn sich auch prominente Funktionäre wie Yildirim und berühmte Klubs wie Fenerbahce verantworten müssten.

Nicht immer war die Justiz so unerbittlich. Schon seit Jahren profitieren die großen Istanbuler Vereine – neben Fenerbahce sind das Besiktas und Galatasaray – von krassen Fehlentscheidungen der Schiedsrichter in wichtigen Spielen. Immer wieder machen Berichte über Bestechungen die Runde, doch ein Großreinemachen hatte es nicht gegeben. Das wird jetzt wohl nachgeholt. In Trabzon, der Heimatstadt jenes Vereins, der bei einem Zwangsabstieg von Fenerbahce nachträglich zum Meister erklärt würde, haben die ersten Feiern schon begonnen.

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