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Tour de France: Contador vorn mit alter Denkweise

Er hat gewonnen, aber er bleibt umstritten: Der Tour-Sieger Alberto Contador kann die Doping-Vorwürfe nicht entkräften.

Der Schweizer Fabian Cancellara hatte in der ersten Tour-Woche, als er das Gelbe Trikot trug, inständig gehofft, dass er es bis Paris wieder loswird. Diese Tour 2007 wollte er nicht gewinnen, und darin war er sich mit vielen seiner Kollegen einig. Wer immer der Sieger 2007 werden würde, würde sich nicht so recht über seinen Sieg freuen können.

Als Tour-Sieger Alberto Contador am Samstag vor die internationale Presse trat, wusste man, wovor Cancellara gebangt hatte. Contador fühlte sich unwohl, angespannt rutschte er auf seinem Stuhl herum und versuchte sich an einem Grinsen. Gleich die erste Frage war eine Nachfrage zu seiner mutmaßlichen Verstrickung in die Doping-Affäre Puerto, und das ging so weiter. Für die sportliche Leistung Contadors interessierten sich nur einige euphorische spanische Reporter, die sich auch am Ende dieser Tour noch weigerten, den Radsport kritisch zu hinterfragen.

Immerhin, der Madrilene stellte sich den Fragen. Er wusste wohl, dass er der Diskussion jetzt nicht mehr ausweichen konnte. Bei der Pflichtpressekonferenz des Tour-Siegers konnte er sich nicht mehr, wie während der vergangenen Woche, wortlos auf seinem Rad durch die Reportermenge zur Startlinie davonmogeln. „Ich war eben zur falschen Zeit bei der falschen Mannschaft“, verteidigte er sich. Bei Liberty Seguros, seiner vorhergehenden Mannschaft, war der berüchtigte Fuentes lange Zeit Mannschaftsarzt. Der Teamchef Manolo Saiz ist einer der Hauptverdächtigten der Affäre Puerto. „Aber“, sagte Contador, „die UCI hat doch das Dossier studiert und mich freigesprochen.“

Das war freilich eine Argumentation, die mittlerweile im Radsport kaum einer noch unkritisch durchgehen lässt. Sie ist der von Lance Armstrong ähnlich, dem Mitbesitzer von Contadors Mannschaft Discovery. Der sechsmalige Tour-Sieger hat sich immer darauf herausgeredet, niemals durch einen positiven Test aufgefallen zu sein. Es ist jener legalistische Standpunkt, der im zweigeteilten Radsport als „altes Denken“ klassifiziert wird. Rolf Aldag von T-Mobile sagt: „Wir müssen irgendwann aufhören, immer nur nach oben zu zeigen, und stattdessen selbst Verantwortung übernehmen.“ Nur wer seine Integrität beweist, dem kann man wirklich trauen.

Die weiteren Äußerungen des Spaniers unterstrichen den Eindruck, dass er, wie es in seiner Mannschaft üblich ist, die im Radsport nicht mehr haltbare Unschuldsvermutung für sich in Anspruch nimmt. Selbstverständlich, sagte er, werde er sich einem DNA-Test unterziehen, wenn er dazu gezwungen werde, auch wenn er das nicht für fair halte. Freiwillig werde er das jedoch niemals tun, er habe niemandem etwas zu beweisen. „Ich habe viele Dopingtests über mich ergehen lassen und bin nie aufgefallen.“

Die Leistungswerte Contadors liegen noch deutlich über denen, die für Armstrong einst gemessen wurden. Von Jan Ullrich ganz zu schweigen. Das kann an seinem überragenden Talent liegen. Oder an etwas anderem. Die UCI hätte schon lange die Möglichkeit gehabt, Contadors Verbindung zu Herrn Fuentes zu beleuchten. Zumal Dokumente vorliegen, die diese Verbindung recht eindeutig belegen. UCI-Chef Pat McQuaid hat diese auch seit Monaten auf seinem Schreibtisch liegen. Doch McQuaid hat, wie er sagte, keine Zeit, die 600 Seiten zu lesen. Außerdem, sagte der Ire, könne er kein Spanisch. Dänisch und Kasachisch kann McQuaid vermutlich auch nicht. Insofern tut die Tour de France wohl gut daran, wie geplant die Hoheit über ihre Dopingbekämpfung der UCI abzunehmen und an die weltgewandtere Wada abzugeben. Vielleicht muss man dann dem nächsten Tour-Sieger nicht mehr so viele unangenehme Fragen stellen.

Sebastian Moll[Paris]

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