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Tony Martin ist der 15. Deutsche, der das legendäre Trikot für den Gesamtführenden tragen darf.

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Update

Tour de France: Tony Martin holt Etappen-Sieg und Gelbes Trikot

Tony Martin hat die Kopfsteinpflaster-Etappe der 102. Tour de France gewonnen und ist neuer Träger des Gelben Trikots. Der 30 Jahre alte Radprofi sicherte sich am Dienstag trotz Plattfuß den Tagessieg.

Eine Tragödie, die Züge einer Komödie trug, ging letzten Endes in einen Siegesmarsch über. Schauplatz des letzten Akts war das an gotischer Architektur reiche nordfranzösische Städtchen Cambrai. Für dessen Schönheiten hatte Tony Martin aber kaum einen Blick übrig. Verständlich, denn die Geschichte, die er an diesem Ort zu einem glücklichen Ende führte, hätte auch die Foliantenschreiber ferner Zeiten gelockt. Es war der Stoff für eine Fabel.

Zum Auftakt der Tour de France hatte der dreifache Zeitfahrweltmeister in seiner Spezialdisziplin nur den zweiten Platz erreicht. Er musste am nächsten Tag das Grüne Trikot spazieren fahren, das seinem Bezwinger Rohan Dennis neben dem Gelben Trikot zugefallen war. Kleiderpuppe statt stolzer Sieger, das war der Lohn einer monatelangen Anstrengung.

An den folgenden Tagen biss er sich Sekunde um Sekunde näher an das Führungsleibchen heran. Er sah auf der windigen zweiten Etappe Prologsieger Dennis den Kontakt verlieren. „Da war es, als hätte es eine Durchsage gegeben: Tony Martin wird gebeten, das Gelbe Trikot in der Kinderabteilung abzuholen“, blickt sein Betreuer Rolf Aldag auf das Szenario zurück. Doch Mark Cavendish spielte den Spielverderber. Martins Teamkollege ließ zu, dass der Schweizer Fabian Cancellara vier Bonussekunden holte, die ihm drei Sekunden Vorsprung vor Martin verschafften. Am Tag darauf sah Martin Cancellara stürzen – und erneut war jemand Neues vor ihm. Dieses Mal Chris Froome, mit einer Sekunde Vorsprung.

Tony Martin wurde plötzlich von einem Plattfuß gebremst

„Wir haben gedacht, das Schicksal stellt uns auf eine sehr harte Probe. Erst geht das Zeitfahren verloren, dann verliert dein eigener Sprinter die Bonussekunden – und zum Schluss hat Chris Froome gegenüber dem Tagessieger Joaquim Rodriguez 0,93 Sekunden Rückstand und nicht 1,01“, fasst Aldag, Sport- und Entwicklungsdirektor bei Martins Rennstall Etixx Quickstep, die letzten Tage zusammen.

Die Erlösung kam dann auf unerwartete Weise. Nachdem Martin auf der vierten Etappe von Seraing nach Cambrai lange Zeit zu den Protagonisten gehört hatte, bremste ihn plötzlich ein Plattfuß. Das Spiel um Gelb schien komplett beendet. Gedankenschnell gab ihm aber Teamkollege Matteo Trentin sein Rad. „Wir hatten das vorher so abgesprochen. Wenn Tony einen Defekt hat, bekommt er sofort das Rad, da wartet man nicht auf den Materialwagen“, erklärte Trentin. Das Geschenk hatte aber seine Tücken. „Ich habe viel zu hoch gesessen, die Hebel für die Bremsen waren vertauscht. Das Rennen war nicht nur schwer für die Beine, sondern auch für den Kopf“, erzählt Martin später.

Dennoch kämpfte er sich wieder in die erste Gruppe zurück. „Aber dann dachte ich, wenn ich jetzt in der Gruppe bleibe, in der auch Froome ist, dann bleibe ich wieder eine Sekunde hinter dem Gelben Trikot. Also habe ich alles auf eine Karte gesetzt“, sagt Martin. Niemand konnte, niemand mochte ihm dabei folgen. „Er hat den perfekten Zeitpunkt abgepasst“, lobt Aldag. „Vielleicht haben die anderen meinen Radwechsel mitgekriegt und dachten, der hält das ohnehin nicht durch“, sagt Martin. Stimmt dies, dann hat ihm das falsche Rad Glück gebracht. „Vielleicht behalte ich es“, scherzte er.

Martin ist damit der 15. Träger des Gelben Trikots aus Deutschland. 2014 war Marcel Kittel der letzte in dieser Reihe. Wer redet nach zwei Etappensiegen durch Martin und André Greipel sowie dem Gelben Leibchen für Martin und dem Grünen für Greipel noch vom nicht für die Tour nominierten Kittel? Radsport ist schnelllebig. Nur für John Degenkolb bleibt alles gleich. Er wurde, wieder einmal, nur Zweiter bei einer Touretappe.

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