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Sport: Trainer in der Zweiten Liga: Ein vergeblich präsentiertes Opfer

Hartmut Ostermann hat viel Ahnung von Betriebswirtschaft. Er besitzt eine Hotelkette, ihm gehören private Altenheime, und er ist Chef einer Baufirma.

Hartmut Ostermann hat viel Ahnung von Betriebswirtschaft. Er besitzt eine Hotelkette, ihm gehören private Altenheime, und er ist Chef einer Baufirma. Hartmut Ostermann hat verflixt wenig Ahnung vom Fußball. Jedenfalls spottet ein Sport-Reporter der "Saarbrücker Zeitung": "Am auffälligsten an Ostermann ist, dass er von Fußball nichts versteht." Allerdings ist das nun nicht so günstig. Denn Ostermann ist auch der mächtige Präsident des Zweitligisten 1. FC Saarbrücken. Und sehr bald möchte Hartmut Ostermann auch der Präsident eines Erstligisten sein. "Unser Ziel ist in dieser Saison ganz klar der Aufstieg. Und zwar wollen wir nicht bloß so aufsteigen wie St. Pauli." St. Pauli landete in der vergangenen Saison auf Platz drei. Aber Ostermann denkt an Meisterschaft. Saarbrückens Trainer Thomas von Heesen dagegen dachte, sein Präsident habe wohl einen Kaffee zu viel getrunken. Das sagte er so natürlich nicht. Von Heesen musste elf neue, zumeist junge Spieler integrieren, und er sagte im Sommer: "Leute, die etwas vom Fußball verstehen, wissen, dass der Titelgewinn mit so einer jungen Mannschaft nicht zu machen ist." Das kam nicht so gut an bei Ostermann. Nach vier Niederlagen in Folge flog von Heesen raus. "In der Zweiten Liga", stöhnt Horst Ehrmantraut, im April bei Hannover 96 entlassen, "herrscht überhöhtes Anspruchsdenken. Die Tendenz bei Trainerentlassungen ist alarmierend."

Das sieht der Sportpsychologe Roland Singer genauso. "Trainerwechsel bringen langfristig gesehen keinen Erfolg." Singer, der an der Universität Darmstadt lehrt, hat mit seinem Kollegen Christoph Breuer über einen Zeitraum von 33 Jahren sämtliche Bundesliga-Trainerwechsel während einer laufenden Saison analysiert und ihren Einfluss auf den Erfolg der Mannschaft untersucht. Sein Urteil: "Abstiegsbedrohte Mannschaften, die während der Saison an ihrem Trainer festhalten, erreichen am Ende genauso häufig den Klassenerhalt wie Mannschaften, die ihren Trainer entlassen." Die Tendenz, den Trainer rauszuschmeißen, hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen. Zwischen 1963 und 1967 waren es 16 Trainerwechsel. Zehn Jahre später waren es immerhin 25. Und zwischen 1991 und 1995 schon 36. Allein in der Zweiten Liga wurden in der vergangenen Saison 15 Betreuer geschasst.

Wenn Erfolge fehlen, Fans pfeifen und Medien meckern, "dann", sagt Singer, "ist der Trainer das rituelle Opfer, das zum Sündenbock erklärt wird. Der Vorstand glaubt handeln zu müssen, um das Vereinsumfeld zu beruhigen, und opfert den Trainer." Er spricht von einem bequemen, die Angst beschwichtigenden Schauspiel, das den Beteiligten die Illusion vermittele, nun gehe es wieder aufwärts. Häufig ist der neue Trainer ja am Anfang auch erfolgreicher. Nur: Wenn der alte Coach viermal in Folge verloren hat, dann kann die Bilanz des neuen Trainers im Vergleich nur besser sein, logisch. "Die Vereine wissen genau, dass ein Wechsel eigentlich nichts bringt", sagt Singer.

Schließlich können weder konditionelle noch spielerische Mängel kurzfristig beseitigt werden. Auch die taktische Umstellung einer Mannschaft ist nur nach intensiver Vorbereitung möglich. Ein neuer Trainer könne nur versuchen, dem Team neues Selbstvertrauen zu geben. Kurios für Singer ist es, dass immer die gleichen Namen als vermeintliche Retter ins Gespräch kommen, Leute, die selber entlassen worden sind. "Es ist doch seltsam", sagt Singer. "Ein Trainer wird entlassen, weil er eine Mannschaft nicht zum Erfolg führen konnte. Und nun auf einmal soll er wieder der Retter sein?"

Die Vereine sollten dem Trainer mindestens eine halbe Saison Zeit lassen, sagt Singer. "Viele Präsidenten reden dem Trainer zudem rein und kritisieren ihn in der Öffentlichkeit. Dadurch schwächen sie seine Autorität." Wenn die Zusammenarbeit nicht klappt, habe im Endeffekt der Vorstand Schuld. "Der Vorstand muss im Vorfeld entscheiden, ob die Harmonie zwischen Mannschaft und Trainer stimmen kann. Wenn nicht, hat sich der Vorstand getäuscht."

Thomas von Heesen im Übrigen nahm seinen Rausschmiss gelassen hin. Er kennt doch das Geschäft. Immerhin wurde er nicht so gedemütigt wie Uwe Erkenbrecher bei Greuther Fürth. Der flog auch nach vier Spieltagen - nach einem 1:0-Sieg.

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