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In Madrid sind alle Augen auf Jose Mourinho gerichtet. Womöglich nicht mehr lange.

© Reuters

Trainerspekulationen in Madrid: Real sucht den Anti-Mourinho - und denkt an Löw

Die Zeit von José Mourinho als Coach von Real Madrid scheint zu Ende zu gehen, als Nachfolger favorisiert Präsident Florentino Perez offenbar Bundestrainer Joachim Löw.

Den Eintrag in die Geschichtsbücher wollte sich José Mourinho nicht nehmen lassen. Zwanzig Minuten waren zwischen Real Madrid und Ajax Amsterdam noch zu spielen, als Madrids Trainer den schmächtigen José Rodriguez aufs Feld schickte. Der Nachwuchsspieler war bei seinem ersten Auftritt in der Champions League genau 17 Jahre und 354 Tage alt, was ihn zum jüngsten Europapokaldebütanten in Reals Vereinsgeschichte machte – noch vor der Klublegende Raúl. Solle noch einer sagen, Mourinho setze nicht auf die Jugend. Nach dem Spiel nutzte der Portugiese die Gelegenheit, um einige Giftpfeile Richtung Nachwuchstrainer Alberto Toril zu schießen. Der hatte Rodriguez bisher nur sparsam in der zweiten Mannschaft eingesetzt und damit dessen Talent verkannt, so der latente Vorwurf.

Da war er wieder, der streitlustige, trotzige Mourinho, der trotz des lockeren 4:1-Sieges im letzten bedeutungslosen Gruppenspiel der Champions-League-Vorrunde keine Freude versprühen wollte und stattdessen lieber austeilte.

Verbale Attacken aus dem Mund des Portugiesen sind nichts Neues. Seit seiner Ankunft in Madrid vor zwei Jahren hat er sich mit so ziemlich allen angelegt, die ihm über den Weg liefen: mit Schiedsrichtern, Trainerkollegen, Spielern, Journalisten, Fans und sogar mit Florentino Perez. Nun hat Real Madrids Präsident offensichtlich genug von den ständigen Entgleisungen seines Trainers. Es heißt, der Klub und Mourinho würden sich zum Ende der laufenden Saison trennen, trotz eines bis 2016 laufenden Vertrags. Bestätigen wollte die Meldung in den vergangenen Tagen niemand, aber energisch dementiert wurde sie auch nicht. Nach dem Sieg gegen Ajax Amsterdam versuchte sich Stürmer Karim Benzema als Fürsprecher Mourinhos. „Für uns wäre es besser, wenn er bleibt“, sagte der französische Nationalspieler.

Andere Spieler dürften diese Meinung nicht teilen. Mit Sergio Ramos und Iker Casillas liegt Mourinho schon lange im Streit, das Team ist in zwei Lager gespalten. Auf der einen Seite die spanischen Nationalspieler um Ramos und Casillas, auf der anderen die portugiesisch sprechenden um Cristiano Ronaldo und Pepe. Dazu sorgt die Fehde zwischen Mourinho und Nachwuchstrainer Alberto Toril für schlechte Stimmung innerhalb des Vereins. Perez wünscht sich schon lange eine stärkere Einbindung der Spieler aus dem eigenen Nachwuchs wie beim FC Barcelona, was Mourinho aber ignoriert.

Real hat schon elf Punkte Rückstand auf Barcelona in der Liga

Auch sportlich bleibt Real in dieser Saison hinter den Erwartungen zurück. In der spanischen Meisterschaft ist der FC Barcelona bereits elf Punkte enteilt, und dass man in der Champions League nur Gruppenzweiter hinter Borussia Dortmund wurde, gilt in Madrid als Schmach. Zum endgültigen Bruch zwischen Trainer und Präsident kam es wohl vor zwei Wochen nach der 0:1-Niederlage gegen Betis Sevilla. Ein Journalist berichtete, Mourinho hätte Perez nach dem Spiel zugerufen, er solle „alle am Arsch lecken. Mich zuerst.“

Nun wird in Madrid schon eifrig über Mourinhos Nachfolger spekuliert. Dabei rückt ein Kandidat immer mehr in den Mittelpunkt: Joachim Löw. Bei einer Umfrage der Sportzeitung „Marca“ sprach sich die Mehrheit der Internetleser mit großer Mehrheit für den deutschen Nationaltrainer aus. Auf Platz zwei folgte Jürgen Klopp, der seit seinem Sieg mit Dortmund gegen Real in Madrid die Anerkennung der spanischen Fans genießt. Klopp dürfte als tatsächlicher Kandidat aber kaum in Betracht kommen – im Gegensatz zu Löw.

Nach den für alle Beteiligten aufreibenden Jahren unter Mourinho sucht Präsident Perez einen Nachfolger, der offensiven Fußball spielen lässt, auf junge Spieler setzt, ein gutes Verhältnis zur Presse pflegt und die Gräben innerhalb des Vereins wieder schließt. Perez sucht im Grunde einen Anti-Mourinho und scheint diesen in Löw zu sehen. Dass der in Deutschland nicht immer ein glückliches Bild abgegeben hat, wenn es um die Lösung von Konflikten ging, ist in Spanien kaum bekannt. In der Vergangenheit hatte sich Perez lobend über Löw geäußert, vor allem dessen eloquente Art gefällt dem reichen Bauunternehmer.

Perez will den Verein im kommenden Sommer angeblich neu aufstellen. Cristiano Ronaldo könnte verkauft werden, dazu sollen neue Spieler, Trainer und ein Sportdirektor kommen. José Mourinho scheint in diesen Planungen keine Rolle mehr zu spielen.

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