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Sport: Triumph und Tragödie

Sambia will dort siegen, wo es ein Team verlor.

Kalusha Bwalya kann sich an den 28. April 1993 noch ganz genau erinnern. „Ich saß in Eindhoven beim Frühstück und erhielt einen Anruf. Etwas Schreckliches sei passiert, wurde mir gesagt. Alle anderen seien tot. Für mich ist in diesem Moment eine Welt zusammengebrochen“, erinnert sich der heutige Präsident des sambischen Fußballverbandes.

Bwalya war 1993 Stürmer in Sambias Nationalmannschaft, hatte als „Afrikas Fußballer des Jahres 1988“ längst den Sprung nach Europa geschafft. Dies rettete ihn. Deshalb saß er nicht in jenem Flugzeug, in dem Sambias komplette Nationalmannschaft damals auf dem Weg zu einem WM-Qualifikationsspiel im Senegal zu Tode kam.

Das Unglück passierte kurz nach einer Zwischenlandung in Gabuns Hauptstadt Libreville. Genau dort, wo am kommenden Sonntag das Finale des Afrika-Cups stattfindet. „Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Aber alle bei uns im Land kennen diese Geschichte und sind sich einig, dass unser Team auch für die Jungs von damals kämpfen sollte“, sagt Bwalya. Hervé Renard, der aktuelle Coach, sieht seine Mannschaft gar in einer Art Pflicht: „Stellen Sie sich vor, wir könnten dort den Pokal in die Höhe stemmen. Es wäre eine fantastische Möglichkeit jene Menschen zu ehren, die ein ultimatives Opfer für ihr Land gebracht haben.“ Für Kalusha Bwalya würde sich ein Kreis schließen. Nur ein Jahr nach dem Absturz der Mannschaft erreichte er als Kapitän eines neu zusammengestellten Teams beim Afrika-Cup 1994 in Tunesien sensationell das Finale.

Bwalya spielte in Europa, Süd- und Nordamerika, ehe er nach der Jahrtausendwende zunächst als Trainer, dann als Manager zur sambischen Nationalmannschaft zurückkehrte. Seine Erfolge sah er stets überschattet: „Ich habe mich immer auch irgendwie schuldig gefühlt. Es kam mir nie gerecht vor, dass ich als Einziger überlebt hatte.“

Man sagt, 1993 habe Sambia das wahrscheinlich beste Nationalteam aller Zeiten gehabt. Das junge Team war regelrecht vollgestopft mit Talenten, beinahe mühelos hatte es sich damals sowohl durch die ersten Qualifikationsrunden für den Afrika-Cup 1994 und die WM im gleichen Jahr in den USA gespielt. Und dann stand das WM-Qualifikationsspiel im Senegal an. Der seinerzeit chronisch finanzschwache Fußballverband wollte Geld sparen und schickte das Team statt mit einem Linien- mit einem eigens gecharterten Militärflugzeug auf die Reise.

Das betagte Fluggerät war aber kein Langstreckenflugzeug und musste gleich dreimal zum Tanken zwischenlanden. Nach dem zweiten Stopp in Libreville passierte es. Nachdem das Flugzeug gerade wieder aufgestiegen war, fing das linke Triebwerk Feuer, und das Flugzeug stürzte wenige Kilometer vor der Stadt in den Atlantik. Von den 30 Insassen der Maschine überlebte niemand. 18 Spieler, zwei Nationaltrainer, Mannschaftsarzt, Verbandspräsident, zwei weitere Funktionäre, ein Journalist und fünf Crewmitglieder kamen ums Leben. „So etwas vergisst man nie. Wir waren ein so hoffnungsvolles Team. Und auf einmal waren sie alle nicht mehr da“, sagt Bwalya noch heute kopfschüttelnd.

Helden des heutigen Teams sind Mittelfeldmann Nathan Sinkala, Stürmer Chris Katongo und Torhüter Kennedy Mweene. Während Sinkala und Katongo im Anschluss an den Viertelfinalerfolg gegen Sudan (3:0) kurzerhand von Staatspräsident Michael Sata in der Armee befördert wurden, beschwört Zivilist Mweene noch einmal die Historie: „Ich war damals zur Zeit des Unglücks neun Jahre alt. Und wir brennen darauf, für unsere Idole von damals zu triumphieren.“

Um nach Libreville ins Finale zu kommen, muss Sambia am heutigen Mittwoch (Eurosport, 17.00 Uhr) im Halbfinale in Bata aber Ghana, den Titelfavoriten, ausschalten. Im anderen Halbfinale stehen sich später am Abend (20.00 Uhr) die Elfenbeinküste und Mali gegenüber.

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