zum Hauptinhalt
Kevin Volland, (r.) Kapitän der U 21, hat andere Pläne für den Zeitraum der Olympischen Spiele 2016. Ob Horst Hrubesch (l.) den Kapitän der Deutschen umstimmen kann?.

© dpa

U21-Nationalmannschaft bei der EM: Rio oder Paris?

Die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro bringt die U-21-Fußballer in Loyalitätskonflikte, denn zuvor findet die EM 2016 statt.

Für einen Augenblick wirkte Horst Hrubesch, als kenne er diesen Film schon. „Mensch, das war ja alles fast so wie 2009“, sagte er nach dem 1:1 gegen Tschechien, das die deutsche Mannschaft ins Halbfinale bei der U-21-EM brachte. Damals, vor sechs Jahren in Schweden, da hatte Hrubesch auch gezittert, in drei Gruppenspielen war seine Mannschaft nicht wirklich souverän. Es war ein Steigerungslauf in kurzen Etappen, und am Ende stand der Titel mit einem 4:0 gegen England. Nun geht es als Gruppenzweiter nach Olmütz, wo die Deutschen auf Portugal treffen, den Ersten der Gruppe B.

Schnell hatte Horst Hrubesch den wechselhaften Aufritt abgehakt. Denn seine Mannschaft hat sich ja nicht nur für die Runde der letzten vier qualifiziert, das Unentschieden gegen die Gastgeber war gleichbedeutend mit der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2016 in Rio. Einmal, so Hrubesch, wolle er dort teilnehmen. Es ist der letzte Traum eines Mannes, der als Fußballer sehr viel und als Junioren-Trainer fast alles gewonnen hat. „Das Einzige, was mir noch fehlt in meiner Liste, ist Olympia“, sagte er. „Für mich wäre es ein Riesenabschluss meiner Karriere.“ Und nicht nur Hrubesch freute sich. Emre Can, der Mittelfeldspieler aus Liverpool, überschlug sich regelrecht: „Darauf habe ich sehr viel Bock, nicht nur ein bisschen. Das waren wir auch unserem Trainer schuldig. Er wollte unbedingt zu den Olympischen Spielen.“

Olympia - Traum jedes Fußballers?

Olympia – der Traum eines jeden Sportlers? Am Tag darauf sah die Sache zumindest bei einigen schon wieder anders aus. Kevin Volland ließ keinen Zweifel daran, dass Sportler und Fußballer zwar prinzipiell zur gleichen Spezies gehören, dass aber der Profikicker ein wenig gleicher in seinen Träumen ist als die anderen. Olympia also: Volland, der Hoffenheimer, er wirkte nicht, als könne man ihn guten Gewissens nachts wecken, um die Nachricht von einer Olympia-Nominierung zu überbringen. Volland hat andere Pläne. Zwar wirkte der Kapitän nicht ganz so rigoros wie am Vortag, als er der A-Nationalmannschaft von Bundestrainer Joachim Löw rundheraus Priorität eingeräumt hatte. Aber er sagte deutlich: „Die EM, das ist ein Kindheitstraum von mir.“

Und somit war klar, dass sich die Träume von Sportlern nicht alle auf einen Nenner bringen lassen. Denn es gibt ja nicht nur die Frage des Wollens. Die Machbarkeit ist auch noch eine ganz andere. Beides geht nicht, Olympia und die Europameisterschaft in einem Jahr. Und mittlerweile darf man sich auch fragen, ob sich die Herren im DFB einen Gefallen getan haben, immer wieder über die Olympiaqualifikation zu reden. Die Initiative ging wohl von der Deutschen Fußball-Liga aus, die Olympia als Werbeplattform für die Fußball-Bundesliga nutzen will.

Ein Großteil der U21-Stammelf darf in Rio nicht teilnehmen

Auf einmal erschien Olympia als ein äußert erstrebenswertes Ziel – dabei hat sich mehr als zweieinhalb Jahrzehnte niemand darum geschert, ob eine deutsche Auswahl dort teilnimmt. Die letzte Mannschaft trat 1988 an. Es war eine wunderbare Elf, die in Seoul Bronze holte. Mit Uwe Kamps im Tor, Jürgen Klinsmann und Frank Mill im Angriff, Wolfram Wuttke als Spielmacher. Aber letztlich eben eine Reserve-Nationalelf. Fußball- Olympioniken haben jung zu sein. Nur drei dürfen älter als 23 sein, alle anderen müssen – im aktuellen Fall – nach dem 1. Januar 1993 geboren worden sein. Das heißt für einen Großteil des aktuellen Teams, dass sie gar nicht dabei sein dürfen. Acht Spieler aus dem aktuellen 23-Kader (die Torhüter Marc-André ter Stegen und Bernd Leno, Julian Korb, Robin Knoche, Felix Klaus, Moritz Leitner, Yunus Malli und Kevin Volland) sind älter, nur drei könnte Hrubesch für Rio nominieren. Und die Besten könnte das in Loyalitätskonflikte stürzen. Genauso wie Hrubesch selbst.

Zwar kann Hrubesch in der Theorie auf seine Spieler pochen, weil die Kompetenzen der Trainer gestärkt wurden im Zuge des frühen Scheiterns bei der U-21-EM vor zwei Jahren. Damals fuhr Deutschland mit einer B-Elf nach Israel, weil ein paar der größten Talente in der A-Nationalmannschaft für eine sportlich fragwürdige USA-Reise benötigt wurden . Dass da etwas schiefläuft, war jedem schnell klar. Und so konnte Hrubesch nun tatsächlich die vermeintlich Besten für die EM in Tschechien berufen. Aber Hrubesch würde sich nicht querstellen, wenn einer wie Volland mit zur EM will: „Die Absprachen sind klar, wir sind uns da einig. Wenn einer in die A-Nationalmannschaft will, bin ich der Letzte, der es verhindert.“

Vielleicht entspannt sich ja alles noch. Vor ein paar Tagen gab es die Nachricht, dass Philipp Lahm und Per Mertesacker auch noch mal olympische Atmosphäre schnuppern möchten. Hrubesch winkte ab: Da könne er ja auch noch mitspielen. Und es war klar, was er sagen wollte: Olympia als eine Art Lebenswerk-Oscar für Altgediente, das ist mit ihm nicht zu machen.

Folgen Sie der Tagesspiegel-Sportredaktion auf Twitter:

Stefan Osterhaus

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false