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Sport: Über Istanbul nach Athen

Bei der U-21-Nationalmannschaft träumen sie nach dem 1:0 gegen die Türkei von Olympia

Leverkusen. Hanno Balitsch kommt vom Auslaufen, er sieht ein wenig müde aus, und der Schweiß klebt ihm noch auf der Stirn. Der Leverkusener wirkt aber zufrieden, sehr sogar. Soeben hat die deutsche U-21-Nationalmannschaft mit 1:0 (1:0) gegen die Türkei gewonnen, im Play-off-Hinspiel um die Teilnahme an der Europameisterschaft. Nun, nach vollbrachtem Erfolg, formuliert Kapitän Balitsch seine Träume. „Ich habe ein großes Ziel in mir“, sagt er. „Es heißt Olympia.“

Sie alle wollen 2004 nach Athen, das hat auch sein Mannschaftskollege Thomas Hitzlsberger von Aston Villa in den Tagen vor den Ausscheidungsspielen geäußert, ein Vorhaben, das einer deutschen Mannschaft seit 1988 nicht mehr gelang. Darauf angesprochen, reagiert Trainer Uli Stielike fast ein wenig genervt. „In dieser Mannschaft steckt kein olympischer Traum“, sagt er. Erst einmal müsse sie sich für die Europameisterschaft qualifizieren, die in diesem Fall wahrscheinlich in Deutschland zur Austragung käme. Stielike verfolgt die Politik der kleinen Schritte. „Für das Rückspiel am Dienstag in Istanbul, haben wir nur einen kleinen Vorteil“, sagt Stielike. „Der Gegner wird uns dort alles abverlangen.“

Natürlich weiß Balitsch, dass es nicht einfach wird in der Türkei. „Wir müssen noch nicht über unser Hotel in Athen reden.“ Doch wie sehr das Selbstvertrauen in der Mannschaft nach diesem Sieg gestiegen ist, das dokumentieren nicht nur die olympischen Visionen des Kapitäns, dessen Abstauber in der 14. Minute das einzige Tor bleiben sollte. Für Torhüter Tim Wiese etwa ist die Sache schon klar. „Wir sind mit dem 1:0 glücklich“, sagt der Lauterer. Wiese hatte eine fehlerlose Partie hingelegt und war in der 70. Minute dem auf ihn zustürmenden Halil Altintop, seinem türkischen Vereinskollegen beim 1. FC Kaiserslautern, zuvorgekommen und hatte damit den Ausgleich verhindert. „Ein 1:0 reicht nicht“, sagte Altintop nach dem Abpfiff breit grinsend zu Wiese. Wiese konterte: „Wieso soll das nicht reichen? Ich halte doch sowieso jeden Ball.“ Dass der gut aufgelegte Innenverteidiger Alexander Madlung (Hertha BSC) dabei gelbgesperrt ausfällt, stört Wiese nicht: „Dafür kommt eben ein anderer.“

Wiese holte sich später noch einen Tadel vom Trainer ab, denn er hatte die mehrheitlich türkischen Fans, die in der zweiten Halbzeit hinter seinem Tor standen, mit unflätigen Gesten unnötig provoziert. Feuerzeuge flogen daraufhin in seinen Strafraum, was gleichzeitig Beleg war die aufgewühlte Atmosphäre, wie sie nur selten herrscht in der Arena von Leverkusen. Bengalische Feuer und die emphatischen Sprechchöre der türkischen Fans deuteten an, was im mit 50 000 Zuschauern besetzten Fenerbahce-Stadion folgen wird. „Diese Mätzchen muss Wiese dort unterlassen“, sagte Stielike.

Die Partie in Leverkusen war von der Atmosphäre her „eher ein Auswärtsspiel“ für die Deutschen, wie Christian Tiffert vom VfB Stuttgart sagte. Dass sich die deutsche Mannschaft nicht aus der Ruhe bringen ließ, ist für ihren Trainer ebenfalls Ausdruck einer in diesem Alter ungewöhnlichen Nervenstärke. „Die laufen hier ein und sehen überall nur den Halbmond“, sagte Stielike. Das war eine Anspielung auf die vielen türkischen Flaggen im Stadion. „Und sie spielen dann so, als wenn nichts los wäre. Das zeigt, dass die Jungs schon ziemlich ausgebufft sind.“

Die Mannschaft selbst sah die hochgelobten, weil als spielstärker eingeschätzten Türken keineswegs in der Favoritenrolle. Und nach der Niederlage zollten auch die Türken Respekt. Dass die Südeuropäer in dieser Besetzung bis Freitag noch kein Spiel verloren hatten, „das zählt doch nicht mehr“, meinte etwa der Lauterer Altintop. „Ich war vor allem überrascht, was die Deutschen am Ball alles konnten“, sagte Altintop. „Wie die ihr Spiel aufgezogen haben, das war schon eindrucksvoll.“ Damit meinte Altintop speziell die famosen Aktionen des speziell in der ersten Halbzeit starken Philipp Lahm, und die glänzenden Vorlagen eines Christian Tiffert.

Wenn es diesem Team also an etwas mangelt, dann am Sturm. Im Nachhinein also durfte sich daher Balitsch mit seiner öffentlichen Kritik am Teamchef Rudi Völler bestätigt sehen. Der Kapitän hatte vehement einen Einsatz von Kevin Kuranyi und Andreas Hinkel, die bei der Nationalmannschaft von Rudi Völler verweilten, gefordert, freilich erfolglos. „Natürlich ist da in der Mannschaft Unzufriedenheit und Unverständnis“, sagte Balitsch. „Kuranyi hätte gern bei uns gespielt und sich auch reingehängt.“

Sollten sie bei der U-21-Nationalmannschaft den olympischen Traum nicht verwirklichen, haben sie wenigstens schon mal eine passable Entschuldigung parat.

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