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Sport: Um Lichtjahre voraus

Ralf Beckmann hat ganz genau hingeschaut. Er sitzt ja ziemlich nahe am Beckenrand, auf der Tribüne, die sie in Berlin für die Betreuer, Trainer und Journalisten aufgebaut haben.

Ralf Beckmann hat ganz genau hingeschaut. Er sitzt ja ziemlich nahe am Beckenrand, auf der Tribüne, die sie in Berlin für die Betreuer, Trainer und Journalisten aufgebaut haben. Auf dieser Tribüne verfolgte der Cheftrainer der deutschen Schwimmer jede Bewegung von Ed Moses, jeden Armzug und jeden Beinschlag. Beckmann ist ein ziemlich nüchterner Mensch, aber als er den Brustschwimmer Ed Moses aus Virginia/USA beim Kurzbahn-Weltcup in der Halle an der Landsberger Allee gesehen hatte, sagte er: "Er ist perfekt. Ich habe nichts gesehen, was man bei ihm noch verbessern könnte. Der ist der Konkurrenz um Lichtjahre voraus."

Genau gesagt um 5,74 Sekunden. So viel nahm Moses über 200 m Brust dem Südafrikaner Terence Parkin ab. Und Parkin ist immerhin Weltmeisterschaftszweiter über diese Strecke. Aber was heißt das schon, wenn man gegen Moses schwimmt. Der US-Amerikaner stellte über 200 m Brust einen neuen Weltrekord auf (2:03,17 Minuten). Es war sein vierter innerhalb von vier Tagen. Beim Weltcup in Stockholm hatte er schon Bestzeiten über 50 m, 100 m und 200 m Brust erzielt. Beim Weltcup in Paris, auch nur ein paar Tage her, hatte er ebenfalls Weltrekord geschwommen, über 200 m Brust. Den Gesamtweltcup-Sieg hat der 21-Jährige nun auch geschafft. Berlin war die Finalstation des Weltcups.

Beckmann hat in Berlin spezielle Unterwasserkameras installieren lassen. Mit denen wird jede Bewegung aufgenommen und analysiert. Brustschwimmen ist die anspruchsvollste Stilart im Schwimmen. Es dauert Jahre, bis ein Brustschwimmer perfekt ist. Und Moses ist perfekt. Er zieht sehr, sehr ruhig, weil er enorme Kraft in den Beinen hat. "Er koodiniert optimal Arme und Beine. Da ist nicht die geringste Störung zu bemerken", sagt Beckmann. Anders gesagt: Es muss viel Arbeit dahinter stecken.

Aber genau hier wird Ed Moses noch ein bisschen mehr zum Phänomen. Er war zehn Jahre alt, als er aufhörte zu schwimmen, er war erst 18 Jahre alt, als er wieder anfing. Dazwischen spielte er Golf. Ausgerechnet in den Jahren, die für eine Technikentwicklung am wichtigsten sind. Moses spielte so intensiv Golf, dass er bis zum Handicap vier kam. Aber er lebte in Virginia, und in Virginia, sagt er, kann man im Winter nicht golfen. Auf Dauer nervte ihn das. Also stieg er wieder ins Wasser. Er schrieb sich an der Universität von Virginia für Sportmedizin ein und trainierte gleichzeitig extrem hart. "Ich habe sehr viel Krafttraining für die Beine gemacht", sagt er, "und ich habe in vielen Wettkämpfen Erfahrung gesammelt." Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney holte er mit der 4 x 100-m-Lagenstaffel Gold und Silber über 100 m Brust, bei der WM 2001 Bronze über diese Strecke.

Doch auch ein Ed Moses hat Grenzen. Irgendwann geht auch ihm die Kraft aus. Über 50 m Brust lag Oleg Lisogor aus der Urkaine vor ihm. Das hätte er ja noch verschmerzen können. Aber Lisogor schwamm auch noch 26,20 Sekunden. Er hatte damit den Weltrekord verbessert. Und das störte Moses gewaltig: Es war sein Weltrekord.

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