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Nach seinem Platzverweis in Freiburg wird Nico Schulz (re.) seinem Trainer Jos Luhukay zwei Spiele lang fehlen. Diese Strafe setzte der DFB am Dienstag fest.

© dpa

Ungewohnte Schwächen: Hertha BSC in der Findungsphase

Hertha BSC ist unter Jos Luhukay in die Bundesliga aufgestiegen und schaffte anschließend den Klassenerhalt. Im Moment aber läuft es nicht – auch weil den Berlinern das fehlt, was Luhukays Mannschaften eigentlich auszeichnet.

FITNESS

Die gute Nachricht zuerst: Hertha hat am Freitag, beim 2:2 in Freiburg, die beste Laufleistung der Saison hingelegt. 116,8 Kilometer wurden für die Spieler des Berliner Fußball-Bundesligisten gemessen. Doch wie schon in allen anderen Spielen dieser Saison war der Gegner auch diesmal wieder mehr unterwegs gewesen. Jos Luhukay misst solchen Statistiken keinen allzu großen Wert bei, auch wenn sie gern als Beleg für den Fitnesszustand einer Mannschaft herangezogen werden.

Im Schnitt ist Hertha in dieser Saison 112,7 Kilometer gelaufen, in der (sehr erfolgreichen) Hinrunde der Vorsaison waren es fast 118, in der (sehr erfolglosen) Rückrunde 115. Die absoluten Zahlen sagen wenig aus. Die eigene Laufleistung hängt immer auch davon ab, wie viel der jeweilige Gegner läuft. Die Berliner haben in der vorigen Saison Spiele verloren, in denen sie mehr als 120 Kilometer gelaufen sind; sie haben aber auch Spiele gewonnen, in denen sie eine weit geringere Strecke zurückgelegt haben.

Gravierender als die Fitness des gesamten Teams ist, dass einzelne Spieler derzeit körperlich nicht in bester Verfassung sind. Fabian Lustenberger musste in Freiburg nach 75 Minuten wegen Krämpfen ausgewechselt werden. Er hat im ersten Halbjahr lange verletzt gefehlt. Gleiches gilt für Jens Hegeler, der am Freitag (trotz starker Laufleistung) einen erschreckend matten Eindruck hinterließ. Auch Ronny und Genki Haraguchi mussten zuletzt pausieren, Valentin Stocker und John Brooks verpassten wegen der WM wichtige Teile der Vorbereitung. All das summiert sich am Ende natürlich.

DEFENSIVE

Mit elf Gegentoren stellt Hertha derzeit die schlechteste Abwehr der Liga. In der vorigen Saison lag der Schnitt noch bei 1,41 Gegentoren pro Spiel, jetzt sind es fast doppelt so viele (2,75). Hertha galt im vergangenen Jahr als sehr unangenehm zu spielen, verteidigte geschickt im Kollektiv. Daran mangelt es jetzt. Beim 1:3 gegen Mainz fanden die Gäste riesige Räume vor, die sie dankbar zum Kontern nutzten. Hinzu kommen Nachlässigkeiten in der letzten Reihe – etwa bei Standardsituationen. Das, was Luhukay schon nach dem 2:4 in Leverkusen bemängelt hat, gilt weiterhin: „Wir haben die wichtigsten Zweikämpfe nicht für uns entschieden.“

DISZIPLIN

Nicht nur in der Tabelle, auch in der Fairplay-Wertung erlebt Hertha einen dramatischen Absturz. Die Berliner belegen aktuell den vorletzten Platz – in der Vorsaison waren sie noch Dritter. Der Trend zu ungesunder Härte war auch in Freiburg festzustellen. 26 Fouls wurden für die Berliner gezählt. In allen 36 Spielen dieser Saison foulte nur eine Mannschaft noch mehr (Leverkusen in Dortmund, 28). Vier Herthaner sahen in Freiburg die Gelbe Karte, Nico Schulz wurde in der Nachspielzeit sogar vom Platz gestellt. Es war erst die zweite glatt Rote Karte in Luhukays Amtszeit. Die erste hatte Torhüter Sascha Burchert gesehen – im August 2012.

Die Zeiten, da ruppiges Spiel als Zeichen besonderer Leidenschaft gewertet wurde, sind längst vorbei. Wenige Fouls sind weniger Ausdruck einer pazifistischen Gesinnung als einer guten Organisation auf dem Platz. Und genau daran hapert es bei Hertha. Es wäre auch verwunderlich, wenn es anders wäre. Luhukay muss eine neue Mannschaft aufbauen, viele potenzielle Leistungsträger sind oder waren verletzt, haben die Vorbereitung verpasst und sind deshalb mit den Automatismen noch nicht vertraut. Das entschuldigt den schwachen Saisonstart nicht. Aber es erklärt ihn zumindest.

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