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Ohrfeige vom Erzrivalen. Wayne Rooney (l.) und Javier Chicharito Hernandez durften am Sonntag Anstoß üben. Foto: dapd

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Sport: United ist zerschlagen

In Manchester vollzieht sich ein Machtwechsel

Das englische Wort „shattered“ lässt sich mit „erschüttert“, „zerschlagen“ oder „zerbrochen“ übersetzen, doch wie stark das Derby-Debakel Alex Fergusons Selbstverständnis in Mitleidenschaft zog, wurde erst beim Blick in das hochrote Gesicht und die vor Trauer trüben Augen des Trainers von Manchester United nach Spielende deutlich. Der 69-Jährige vermeidet es nach Niederlagen seiner roten Titelmaschine normalerweise tunlichst, selbst wie ein Besiegter auszusehen. Sir Alex schiebt in diesen Fällen mit markigen Worten die Schuld dem Schiedsrichter, den Behörden oder dem Schicksal in die Schuhe. Am Sonntag aber wirkte Fergusons Sieger-Aura jedoch tatsächlich so „shattered“, wie er beklagte. Die offensichtlich mit Bordeaux umspülte Zunge verrichtete ihre Arbeit vor den Mikrofonen eine Spur unpräziser als gewohnt, und sie gab allerhand unerhörten Dingen Ausdruck. „Das war der schlimmste Tag in meiner Geschichte, selbst als Spieler habe ich nicht 1:6 verloren“, gab der seit 25 Jahren auf der United-Bank thronende Ferguson zu. „Das Resultat macht mich fassungslos, es ist eine unglaubliche Enttäuschung.“

Drei der sechs Tore, die das Stadtduell in Uniteds höchste Heimniederlage in der Premier League und Citys höchsten Derby-Sieg seit 85 Jahren verwandelten, waren erst ab der 90. Minute gefallen, als die Hausherren mit „Kamikaze-Fußball“ (Ferguson) auf ein unmögliches Unentschieden-Wunder drängten. Doch das nahm dem Auftritt von Roberto Mancinis Elf nichts von seiner kühlen Brillanz. United wurde mit sechs atemberaubend präzisen Kontern auseinandergenommen. David Silvas Volleypass auf Edin Dzeko vor dem 6:1 dürfte an Schönheit in dieser Saison nicht übertroffen werden.

Fergusons Elf wirkte in der Zentrale beängstigend ordinär. Das Manko machte sich in beide Richtungen bemerkbar. Liga-Statistiker haben errechnet, dass die Roten in den vergangenen fünf Heimspielen 91 Torschüsse auf David De Geas Kasten zuließen – ein Wert, für den sich Abstiegskandidaten schämen müssten.

Mancini, der das Ergebnis kleinredete („Die Saison ist lang. United ist stark und immer noch ein Yard vor uns.“), wird insgeheim anders rechnen. Er hat nun fünf Punkte Vorsprung auf United – und mit dem stürmenden Mario Balotelli (zwei Tore), dem famosen Silva, dem listigen Sergio Agüero (ein Tor) und dem wieder erstarkten Dzeko (zwei Tore) wohl mehr echte Matchwinner im Kader als der Rest der Verfolger zusammen. Nach dem suspendierten Carlos Tevez schreit bei den Hellblauen niemand mehr.

Interessant wird nun, ob United die Frische hat, sich dem Machtwechsel in den Weg zu stellen. Am Sonntag wirkte der Klub dafür zu zerschlagen. Vor dem Old-Trafford-Stadion, wo die Eigentümerfamilie der Glazers einen Parkplatz in einen Hubschrauberlandeplatz umfunktioniert hatte, um danach zum erfolglosen Gastspiel ihres NFL-Teams Tampa Bay Buccaneers im Wembley-Stadion (18:24 gegen die Chicago Bears) zu fliegen, ließ der Anhang seinem Missmut freien Lauf. Es spielten sich zwar nicht ganz „Szenen wie auf dem Dach der US-Botschaft in Saigon zu Ende des Vietnamkrieges“ ab, wie es sich der „Independent“ vorab ausgemalt hatte. Aber es flogen zahlreiche Bierbecher und andere Wurfgegenstände in Richtung der Amerikaner.

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