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Zweifelhafte Angaben. Ryan Lochte weicht seit seiner Ankunft in den USA von seinen Schilderung des Überfalls ab.

© dpa/Kraemer

Olympia-Schwimmer haben gelogen: US-Verband entschuldigt sich für erfundenen Überfall

Anders als von Ryan Lochte und anderen US-Schwimmern behauptet, wurden sie gar nicht überfallen. Vielmehr sollen sie in Rio randaliert haben. Nun entschuldigt sich der US-Verband.

Wurden vier amerikanische Schwimmer bei den Olympischen Spielen in Rio von Polizisten überfallen, oder haben sie sich eine Räuberpistole ausgedacht? Und wenn ja, warum?
„Sie wurden nicht die Opfer des von ihnen behaupteten Verbrechens“, sagte Rios Polizeichef Fernando Veloso am Donnerstag. Jetzt erwägt die brasilianische Polizei eine Anklage wegen Sachbeschädigung und Falschaussage.

Die brasilianische Polizei hatte so große Zweifel an der Geschichte der Schwimmer, dass sie am Mittwochabend zwei von ihnen aus einem Flugzeug holen ließ, mit dem sie zurück in die USA fliegen wollten. Jack Conger und Gunnar Bentz wurden von Beamten der brasilianischen Bundespolizei am internationalen Flughafen Tom Jobim verhört. Bilder wie die beiden in die Polizeistation geführt werden, zeigte der Fernsehsender Globo. Er war offenbar von der Polizei informiert worden.

Neben der Peinlichkeit für die Schwimmer hat der Fall das Zeug diplomatische Verstimmungen zwischen Brasilien und den USA zu provozieren. Die brasilianischen Behörden ließen die US-Stellen über ihre Aktion im Dunkeln. Sie scheinen ihnen nicht zu vertrauen.

In Rio de Janeiro hat die Geschichte viel Aufregung ausgelöst. Denn der Überfall auf die Schwimmer schien zu bestätigen, dass die Stadt ihr Kriminalitätsproblem auch während Olympia nicht in den Griff bekommt. Trotz der 80.000 Soldaten und Polizisten, die die Spiele schützen sollen. Dass die Sportler sich die Geschichte ausgedacht haben könnten, wie nun von der Polizei vermutet, lässt viele Brasilianer wütend werden. Sie werfen den Schwimmern typische US-amerikanische Arroganz vor. Das Sicherheitsproblem in Rio sei zu ernst, als dass man damit Spielchen treibe.

Ryan Lochte wollte nicht „in trouble“ geraten

Der Hauptverantwortliche für die Affäre befindet sich schon wieder in den USA. Ryan Lochte, die Nummer zwei im US-Schwimmteam nach Michael Phelps. Lochte hatte gegenüber der Polizei behauptet, dass er und seine Mannschaftskollegen am frühen Sonntagmorgen auf dem Heimweg von einer Party von Kriminellen in Polizeiuniformen ausgeraubt worden seien. Demnach hätte man um vier Uhr eine Party im Club France verlassen. Er befindet sich auf dem Gelände von Rios Pferderennbahn im noblen Stadtteil Gávea. Die Schwimmer hätten ein Taxi genommen, um zurück ins Olympische Dorf zu fahren. Nach kurzem Weg hätten Uniformierte das Taxi angehalten und den Schwimmern befohlen, sich auf den Boden zu legen. Doch er, Lochte, habe sich geweigert, woraufhin ihm einer eine Pistole gegen den Kopf gehalten habe. Die Diebe hätten das Geld der Schwimmer gestohlen, aber nicht ihre Handys.

Ein zweiter Schwimmer sagte ebenfalls aus, Jimmy Feigen. Er wird derzeit von der brasilianischen Polizei gesucht. Die US-Behörden in Brasilien geben an, nicht zu wissen wo er sei. Es gehöre außerdem zum Sicherheitsprotokoll für US-Athleten, dass ihr Aufenthaltsort geheim gehalten werde.

Die Zweifel der brasilianischen Polizei an der Geschichte von Lochte und Feigen entstanden aus mehreren Gründen. Zunächst fand man keine Zeugen für den Überfall, auch der Taxifahrer konnte nicht ausfindig gemacht werden. Weiterhin erinnerten sich die Schwimmer nicht an die Farbe des Taxis, diese sind in Rio knallgelb. Auch bei der Auswertung von Kameraaufzeichnungen in der Region fand die Polizei keine Bilder, die auf den geschilderten Vorfall schließen lassen.

Es ist Ryan Lochte, der die Zweifel unfreiwillig nährt

Stattdessen registrierten Kameras, dass die Schwimmer den Club France um 5.50 Uhr verließen, also fast zwei Stunden später als angegeben. Im olympischen Dorf wiederum zeigen Aufnahmen die Ankunft der Schwimmer um sieben Uhr früh. Sie sind gut gelaunt und lassen nicht erkennen, dass sie gerade Opfer eines bewaffneten Überfalls geworden sein könnten. Auch informierten sie nicht das Olympische Komitee der USA. Lochte sagte, dass man gefürchtet gehabt habe, „in trouble“ zu geraten. Außerdem sei man betrunken gewesen.

Wegen all der Ungereimtheiten entschied eine Richterin, die Schwimmer an der Ausreise zu hindern. Lochte und Feigen könnten wegen Falschaussage angeklagt werden. Die beiden anderen Schwimmer, Conger und Bentz, schwiegen beim vierstündigen Verhör am Flughafen, auf Anraten des US-Konsulats.

Es ist insbesondere Lochte, der die Zweifel unfreiwillig nährt. Seit er wieder in den USA ist, hat er mehrere Interviews gegeben. Darin weicht seine Schilderung des Überfalls von seinen Aussagen in Brasilien ab. Dem Sender NBC sagte er, dass das Taxi nicht unterwegs gestoppt worden sei. Vielmehr habe man an einer Tankstelle gehalten, um auf die Toilette zu gehen. Bei der Rückkehr zum Taxi hätten zwei Männer die Gruppe überfallen. Keiner hätte ihm eine Waffe an den Kopf gehalten, sondern nur in seine Richtung gezielt. Die Unstimmigkeiten zur ersten Aussage führt Lochte auf ein Stresstrauma zurück.

US-Verband entschuldigte sich mittlerweile

Ein mittlerweile veröffentlichtes Video zeigt jedoch, wie die betrunkenen Schwimmer die Tankstellen-Toilette demolieren und ein Wachmann sie mit gezückter Waffe auffordert, den Schaden zu zahlen. Das Nationale Olympische Komitee der USA bestätigte mittlerweile die Video-Version und entschuldigte sich am späten Donnerstagabend (Ortszeit) bei den brasilianischen Olympia-Gastgebern für die Affäre. Das Verhalten der Schwimmer sei „weder akzeptabel, noch repräsentiere es die Werte des Team USA“, hieß es einer USOC-Mitteilung in Rio de Janeiro. Der US-Schwimmverband denke über Strafen für die Beteiligten nach.

Lochtes Anwalt hatte zunächst verneint, dass der Schwimmer sich den Überfall ausgedacht haben könnte. Die brasilianische Polizei versuche lediglich von den großen Problemen in Rio de Janeiro abzulenken, sagte er. Tatsächlich schien der Vorfall nur der Höhepunkt einer Reihe von Überfällen in Rio zu sein. Kurz vor den Spielen wurde schon der neuseeländische Jiu-Jitsu-Kämpfer Jason Lee von Polizisten gekidnappt und gezwungen Geld von seinem Konto abzuheben.

Die brasilianische Polizei will nun das FBI um Mithilfe bitten, um weitere Informationen von Lochte zu bekommen. Gesucht werden zudem mindestens drei Frauen, die die Party mit den Schwimmern verlassen haben, berichtet die Zeitung "Globo". Auf dem Video sind sie aber nicht zu sehen.

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