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Sport: Vergeben und vergessen

Warum Kim Collins trotz Dopings kein Dopingsünder ist

Paris. Irgendjemand wollte wissen, wie viele Geschwister Kim Collins denn habe und wie viele älter seien als er. Collins grinste, dann sagte er: „Meine Mutter hat elf Kinder. Aber wir kamen nicht alle gleichzeitig.“ Der Mann hat offenbar einen trockenen Humor. Kim Collins lieferte noch ein paar dieser Witze, aber er hatte ja auch allen Grund zu guter Laune, war gerade Weltmeister über 100 Meter geworden. Ausgerechnet er, dieser schmale Sprinter im Kreis der bulligen Konkurrenten. Endlich mal einer, der nicht sofort Doping-Misstrauen weckt.

Leider vergaß Collins eine andere Episode zu erzählen: die Geschichte, wie er vor einem Jahr mit viel Glück unbeschadet aus einer Dopingaffäre gekommen war. Collins gewann 2002 das 100-m-Finale der Commonwealthspiele in Manchester. Anschließend musste er zur Dopingprobe und erklärte einem verblüfften Tester, dass er Asthmatiker sei und deshalb ein Mittel nehme, in dem die verbotene Substanz Salbutamol stecke. „Die Wirkung von Salbutamol ist so ähnlich wie die beim Kälbermastmittel Clenbuterol. In hohen Dosen ist es Missbrauch“, sagt Fritz Görgel, der Leiter des Instituts für Pharmazeutische Forschung in Nürnberg. Kurz darauf das erwartete Ergebnis: Probe positiv. Collins wäre damit als Dopingsünder überführt gewesen. Und vor allem: Er wäre damit zwei Jahre gesperrt worden. Einen 100-m-Weltmeister Collins hätte es nie gegeben. Wenn alles normal gelaufen wäre.

Es lief aber nicht normal. Es ist erstaunlich, wie viele Asthmatiker im Sport auftauchen. Aber in Asthmamitteln sind Substanzen, die auf der Dopingliste stehen. Deshalb müssen Asthmatiker sich vom Leichtathletik- Weltverband (IAAF) ihre Mittel genehmigen lassen, und zwar vor Wettkämpfen. Aber Collins ließ nichts genehmigen. Und damit war nach der positiven Probe der Fall eigentlich klar: „Wer mit einem nicht genehmigten, verbotenen Asthmamittel erwischt wird, wird behandelt wie ein Dopingsünder, und das bedeutet zwei Jahre Sperre“, sagt Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands und Mitglied der Anti-Doping-Kommission der IAAF. Es ist völlig egal, ob einer tatsächlich Asthmatiker ist.

Nur bei Collins lief es etwas anders. Ein englischer Arzt untersuchte ihn nach dem positiven Test, diagnostizierte wirklich Asthma bei Collins, und dann begann eine seltsame Argumentationskette von Funktionären. Der Commonwealth Games Verband (CGF) konstatierte, dass eine seiner Regeln gebrochen wurde (auch die CGF verlangt eine Genehmigung von Asthmamitteln), wollte Collins trotzdem nicht bestrafen. Aber der Fall hätte eigentlich auch zum Weltverband IAAF kommen müssen, jede positive Probe wird dort mitgeteilt. Aber bei der Anti-Doping-Kommission tauchte der Name Collins nie auf. „Ich kenne den Fall nicht“, sagt Prokop.

Der Fall wurde vorher erledigt. Die Welt- Anti-Doping-Agentur Wada griff auch nicht ein. Wada-Chef Dick Pound erklärte: „Collins hat eine Regel gebrochen, aber das ist Sache des Commonwealth-Verbands.“ Dessen Schiedsgericht entschied, ihn nicht zu bestrafen. Stattdessen wurde die Hauptschuld auf den Verband von St. Kitts und Nevis abgeladen. „Collins hat sehr, sehr viel Glück gehabt“, zitiert die englische Zeitung „Telegraph“ einen Insider.

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