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Sport: Versöhnung ohne Krönung

Nach ihrer Sperre wird Evi Sachenbacher im Teamsprint Fünfte – auch die Männer verpassen eine Medaille

Seit kurzem gibt es eine neue olympische Disziplin: das Wassertrinken. Zu den Spitzenkräften dieser Sportart zählt die deutsche Langläuferin Evi Sachenbacher-Stehle, die im Laufe des Montagvormittags fünf Liter Wasser in ihren zierlichen Körper hineingeschüttet hatte. „Mir ist fast schlecht geworden“, sagte die 25-Jährige. Immerhin hat sich die Tortur für sie gelohnt: Bei einem anschließenden Test hatte das Wasser ihr Blut so sehr verdünnt, dass sie den Hämoglobin-Grenzwert für rote Blutkörperchen von 16,0 nicht mehr überschritt. Prompt wurde die vor fünf Tagen über sie verhängte Schutzsperre wegen des erhöhten Wertes nicht verlängert. „Wir freuen uns, dass sie wieder zurück in Aktion ist“, rief der Stadionsprecher im Langlaufstadion. Anschließend lief sie bei ihrem ersten olympischen Auftritt in Pragelato beim Teamsprint an der Seite von Viola Bauer auf Rang fünf. „Ich bin ganz zufrieden“, sagte die Langläuferin aus dem Chiemgau. „Natürlich hätte ich gern eine Medaille geholt, aber Platz fünf ist gar nicht so schlecht.“

Beim Frühstück hatte Sachenbacher- Stehle vor lauter Nervosität kaum einen Bissen herunterschlucken können. „Alle Achtung, was sie heute für einen Lauf gebracht hat, nach dieser harten Vorgeschichte“, sagte Viola Bauer, die mit einer schlechten Laufleistung eine Chance auf eine bessere Platzierung vergab. Die hoch gelobten deutschen Langläufer bleiben somit bei den Olympischen Spielen bislang ohne Medaille. Daran konnten auch Jens Filbrich und Andreas Schlütter kurz darauf nichts ändern, die bei Olympiapremiere des Teamsprints bei den Männern nur Rang vier belegten. „Ich bin sauer. Vierte Plätze habe ich genug“, ärgerte sich Schlütter. Die schwedischen Teams mit Thobias Fredriksson und Björn Lind sowie Anna Dahlberg und Lina Andersson feierten in Pragelato einen spektakulären Doppelsieg. Norwegen und Russland liefen bei den Herren zu Silber und Bronze, Kanada und Finnland bei den Damen.

„Bei den Damen habe ich eher eine Chance gesehen, eine Medaille zu holen“, sagte Bundestrainer Jochen Behle. Das Männerduo habe er eher zu den Außenseitern gezählt. „Da hat einer gefehlt, der jetzt zu Hause sitzt“, sagte Behle. Axel Teichmann hat nach einer Operation am Oberschenkel auf die Spiele von Turin verzichten müssen. „Er hätte das Loch zu den ersten drei Teams zulaufen können“, glaubt Thomas Pfüller, Sportdirektor des Deutschen Sportverbandes. Jens Filbrich und Andreas Schlütter vermochten die Lücke, die durch die Attacken der Norweger zu Beginn aufriss, nicht dauerhaft zu schließen.

Die Bilanz der Langläufer fällt nach den ersten vier Rennen ernüchternd aus. „Das ist nicht die Zielsetzung, die wir hatten“, sagte Behle. Immerhin bewertete er Sachenbachers ersten Auftritt positiv. „Jetzt ist Ruhe im Team.“ Der Wirbel um ihre Schutzsperre hatte zuvor seine Mannschaft beeinträchtigt. „Schön war’s nicht“, sagte Bauer, „das hat die restliche Mannschaft belastet, man weiß ja, dass die Evi unschuldig ist und fühlt mit ihr mit.“ Am schwierigsten sei die Lage für die Gesperrte selber gewesen. „Sie hatte viel Stress durch diese Geschichte“, sagte Bauer. „Sie musste zu dieser Anhörung und zu jenem Pressetermin – alle Achtung, wie sie das gemeistert hat.“

Sofort nach dem Rennen musste Evi Sachenbacher-Stehle wieder zum Dopingtest, allerdings war zunächst nicht klar, ob ihr auch wieder Blut abgenommen wird. Doch ihr war vor nichts mehr bange. „Von mir aus können sie zehn Mal am Tag kommen, das ist mir scheißegal, Hauptsache, sie lassen mich laufen.“ Eine erneute Sperre schließt sie bei diesen Spielen aus. „Ich denke, wir haben das jetzt im Griff“, sagte Sachenbacher-Stehle, die ihren erhöhten Wert mit einer genetischen Veranlagung begründet. „Ich war ja im Vorfeld nie drüber, nur jetzt das eine Mal, da habe ich wahrscheinlich einen blöden Zeitpunkt erwischt.“ Sie wolle jetzt nach vorne sehen. Am Donnerstag läuft sie über zehn Kilometer, allerdings zählt das nicht zu ihren Spezialdisziplinen.

Im übermäßigen Wassertrinken will sie allerdings nicht mehr antreten. Vor dem gestrigen Rennen hat sie nicht mehr viel getrunken, „das von gestern hat mir gereicht“, sagte sie. „Ich werde in der nächsten Woche nichts mehr trinken.“ Bleibt für Evi Sachenbacher-Stehle zu hoffen, dass ihr Blut das auch mitmacht.

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