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Sport: Viel Hörensagen

Was der beschuldigte Arzt geliefert haben soll

Berlin - Ein Staatsanwalt aus der Abteilung „Organisierte Kriminalität“ kümmert sich jetzt um den Fall. Der Jurist bei der Staatsanwaltschaft Göttingen studiert nun die Unterlagen, die Fahnder am Donnerstag bei einem Arzt in dessen Privatwohnung in Bad Sachsa und an seinem Arbeitsplatz, einer Helios-Klinik im thüringischen Bleicherode, nach einer Razzia abtransportiert hatten. Die Fahnder hatten Computerdateien, Kontoauszüge und weitere Dokumente mitgenommen. Der Anästhesist, einer der Chefärzte der Klinik, „soll ein Dopingmittel nach Spanien an den Arzt Eufemiano Fuentes geliefert haben“, sagte Dieter Apel, Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Göttingen. Gegen den Mediziner wird nun wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Den Namen des Mittels nannte Apel nicht, möglicherweise handelt es sich um Synacthen. Dieses Mittel ist in den Unterlagen notiert, die spanische Ermittler bei Fuentes sichergestellt haben. Fuentes wird verdächtigt, zentrale Figur eines Dopingnetzwerks zu sein. Auch Jan Ullrich soll Verbindungen mit Fuentes gehabt haben. Der Tour-Sieger von 1997 bestreitet, dass er jemals gedopt habe. Ob noch weitere Personen in den Handel verwickelt sind, werde geprüft, sagte Apel.

Der Chefarzt ist derzeit beurlaubt, er war gestern nicht zu erreichen. „Wir haben aber keine Hinweise, dass auch die Helios-Klinik in einen Dopinghandel verwickelt ist“, sagte Apel. Die Klinik teilte gestern mit, es gebe „keinen Anhaltspunkt dafür, dass die medizinische Infrastruktur unseres Hauses genutzt wurde“.

Synacthen ist in der Medizin für die Behandlung von epileptischen Anfällen bei Säuglingen und Kleinkindern, dem so genannten Westsyndrom, zugelassen. Außerdem darf es zur Diagnostik eingesetzt werden. Es steht auf der Dopingliste, weil es Kortokosteroide stimuliert und damit entzündungshemmend wirkt. Außerdem hat es eine euphorisierende Wirkung. „Wir hören immer wieder, dass es im Radsport verwendet wird“, sagt Wilhelm Schänzer, Leiter des Dopinglabors in Köln. Mehr als Hörensagen geht derzeit nicht, noch ist Synacthen nicht nachweisbar. Allerdings werde sich das bald ändern, sagte Schänzer. Synacthen kann auch das Immunsystem schwächen sowie Wahnvorstellungen erzeugen. Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für pharmazeutische Forschung in Nürnberg, wundert sich, dass Fuentes das Mittel aus Deutschland bezogen hat. „Es ist in Spanien normal erhältlich. Fuentes hätte es dort ohne Probleme beziehen können.“ Synacthen ist in mehr als 50 Ländern zugelassen.

Der Anästhesist wohnt seit 1996 in Bad Sachsa. Er gilt dort als sehr freundlich und hilfsbereit. So arbeitete er ehrenamtlich für die fünftklassige Mannschaft des lokalen Fußballvereins. Trainer Andreas Petersen sagte dem lokalen „Harz-Kurier“: „Ich kann nur Positives über ihn erzählen.“ Der Arzt habe verletzte Spieler an Fachleute aus seiner Klinik vermittelt. „Er hat den Spielern aber nie Mittel verabreicht“, sagte Petersen. Ein früherer SV-Spieler bezeichnete den Mediziner als „Sportverrückten“. Der Arzt sei sehr durchtrainiert und habe großes Interesse an Radsport, Eishockey und Fußball.

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