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Sport: Vierschanzentournee: Zwischen Schützenfest und Top of the Pops

Mindestens musikalisch ist die Vierschanzentournee eine ambivalente Veranstaltung. Zum einen wird da vom Fernsehsender RTL die 20-jährige Russin Natalie aufgeboten, die begleitet vom Warschauer Sinfonieorchester die offizielle Hymne "Fight To Win" trällert.

Mindestens musikalisch ist die Vierschanzentournee eine ambivalente Veranstaltung. Zum einen wird da vom Fernsehsender RTL die 20-jährige Russin Natalie aufgeboten, die begleitet vom Warschauer Sinfonieorchester die offizielle Hymne "Fight To Win" trällert. Wenn man dem dazugehörigen Pressetext glaubt, dann fand der deutsche Skispringer Martin Schmitt bei einer Ski-Gala in Oberstdorf "sofort einen Draht zur Russin, so dass einer perfekten Feier und einer mitreißenden Performance nichts mehr im Wege stand." Auf der anderen Seite gab es bei der Vierschanzentournee die Dynamic Dance Corporation aus Kempten. Das sind neun- bis zwölfjährige Mädchen, die sich in Oberstdorf vor 18 000 Zuschauern im Auslaufbereich zu Liedern von Teenie-Star Britney Spears bewegten. Selbst der RTL-Pressetext hätte wohl nicht mehr von einer mitreißenden Performance gesprochen.

Das ist das Problem der 49. Vierschanzentournee. Die Tour der Skispringer über vier Schanzen in Deutschland und Österreich schlingert irgendwo zwischen Top of the Pops und einem besseren Schützenfest. Die Sportart, die RTL zur Formel 1 des Winters kürte, legt gegenwärtig einen weiten Spagat zwischen Tradition und Moderne hin. Die Moderne, das ist der Privatsender, der sich für 48,5 Millionen Mark die Rechte am Skispringen für drei Jahre sicherte. Die Moderne sind auch 1500 Mädchen mit lila Mützen, die laut kreischen, sobald sie ihre Idole Sven Hannawald oder Martin Schmitt sehen. "Wir haben zu diesem Trubel beigetragen, haben an diesem Hype mitgebastelt", sagt der RTL-Informationsdirektor Hans Mahr.

Klaus Taglauer, der seit 1979 den Pressechef bei der Vierschanzentournee gibt, ist ganz anderer Meinung. Auf die Frage, was sich seither bei der Vierschanzentournee geändert habe, antwortet der Pensionär: "Gar nichts." Er vertritt die Tradition bei der Vierschanzentournee. Tatsächlich sind die Organisatoren eine eingeschworene Gemeinschaft. Vier- oder fünfmal im Jahr treffen sich die Verantwortlichen zu Vorbesprechungen. Wann ist das letzte Mal ein neues Gesicht bei diesen Tagungen aufgetaucht? "Das ist schon lange her", sagt Taglauer, "das weiß ich nicht." Die Organisationschefs arbeiten alle ehrenamtlich. Dietmar Hemerka, Organisationschef von Innsbruck, sagt dazu: "In Zukunft geht das nicht mehr, da gehört ein professioneller Geschäftsführer her."

Doch von den neuen Zeiten, die im Skisprung angebrochen sein sollen, will Taglauer nichts wissen. So sind 10,66 Millionen Zuschauer in der Spitze beim Neujahrsspringen bei RTL ein Anlass zu großer Freude. Hans Mahr findet: "Was wir in einem Jahr auf die Beine gestellt haben, ist schon eine Sensation." Der altgediente Pressechef hingegen sagt: "Diese Zahlen hat es bei ARD und ZDF in den achtziger Jahren auch gegeben." Auch sei die Anzahl der Journalisten in den letzten zehn Jahren insgesamt nicht gestiegen.

Um so überraschender ist es, dass der Deutsche Skiverband im Umgang mit der Presse gelegentlich überfordert und unprofessionell wirkt. Zum Start der Tournee konnte der Verband zunächst nicht Martin Schmitt oder Sven Hannawald zu einer Pressekonferenz bewegen. Später, als der Bedarf nicht mehr so groß war, organisierte DSV-Pressesprecher Markus Schick schließlich doch ein inoffizielles Treffen in einem Hinterzimmer eines Oberstdorfer Hotels. Das Skispringer-Team ist stets sehr gut abgeschirmt, Martin Schmitt wird sogar von Bodyguards beschützt. Um so seltsamer muten die Klagen von Bundestrainer Reinhard Heß über die aufdringlichen Medien an.

Die Vierschanzentournee ist eben gerade dabei, sich mit den neuen Umständen zu arrangieren. Zum letzten Mal wird heute (13 Uhr, live auf RTL) mit einer Ausnahmegenehmigung auf der altehrwürdigen Innsbrucker Bergisel-Schanze gesprungen. Dann wird die 1933 neu konstruierte Schanze endgültig umgebaut. Das Rahmenprogramm steht auch schon seit längerem fest. "In der Pause spielt die Speckbacher Musikkapelle und danach startet der Ballon", sagt der Innsbrucker Pressechef Fred Steinacher. Und fügt hinzu: "Wie immer."

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