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Sport: Völlig losgelöst

Janne Ahonen dominiert die Vierschanzentournee und pflegt sein Image als Sonderling

Bei einer Frage taute der wortkarge Janne Ahonen auf dem Podium im Kurhaus Oberstdorf unerwartet auf. Das heißt, er beantwortete sie nicht wie sonst in nur einem Satz, sondern fügte freiwillig einen zweiten hinzu. Die Frage lautete, wie viele Dragster-Rennen er im Sommer gewonnen habe? „Vier“, sagte der Finne und kniff die Lippen zusammen. Das war der erste Satz. Danach geschah das Wunder von Oberstdorf. Seine Lippen regten sich erneut: „Von null auf hundert in 0,9 Sekunden.“

Die Zeugen dieses Ereignisses wussten gar nicht, worüber sie mehr staunen sollten. Über Janne Ahonens ungewohnten Rededrang, über die unglaubliche Beschleunigung seines Rennautos oder die historische Leistung, die der Skispringer am Mittwochabend in Oberstdorf auf der Schattenbergschanze vollbracht hat. Durch seinen Sieg beim ersten Springen der 53. Vierschanzentournee hat Janne Ahonen nun acht von neun Weltcupspringen in diesem Winter gewonnen. „Es ist wie ein Traum im Moment“, sagte er gewohnt knapp. Vor dem Springen nannte man ihn als einzigen Favorit auf den Gesamtsieg, nun ist er es erst recht. Er könnte sogar Sven Hannawalds Rekord von vier Siegen bei allen vier Springen einstellen. Dazu muss er allerdings am Neujahrstag (13.45 Uhr, live bei RTL) siegen. „Ich werde mein Bestes geben“, sagte Ahonen. Das dürfte reichen.

Über das Phänomen Janne Ahonen, der schon 98/99 und 02/03 die Vierschanzentournee gewann, ist viel geschrieben worden. Dass er einen guten Humor habe und gar nicht so wortkarg und verkniffen sei, wie er sich immer in der Öffentlichkeit gebe, versichern finnische Journalisten. Das Schweigen und das Emotionslose gehört längst zu einem Image, das er gut und gerne pflegt. Vielleicht sollte man sich dem Finnen eher über sein ungewöhnliches Hobby nähern. Neben Angeln zählen Dragster-Rennen zu den Leidenschaften des Familienvaters. Für die Beschleunigung von null auf 200 benötigen die inklusive Fahrer rund 650 Kilogramm leichten Dragster-Rennmaschinen 4,5 Sekunden. Es ist ein Extremsport, und wahrscheinlich braucht das jemand, der sich täglich mehrfach 140 Meter in die Tiefe stürzt. Damit der Körper endlich mal wieder Adrenalin ausschüttet.

Die Schanze hingegen ist Janne Ahonens Büro. Der Finne arbeitet seinen Sport wie kein anderer. In Oberstdorf ließ er sich bei der Auftaktpressekonferenz entschuldigen, weil er lieber in der Turnhalle trainierte. Vor dieser Saison ließ er erstmals den Sommerweltcup aus, um im Winter länger fit bleiben zu können. „Ich habe im Sommer gut trainiert“, sagt er nun, wenn er nach dem Grund seiner Erfolge gefragt wird. Neben seiner akribischen Vorbereitung und in 13 Weltcupjahren gesammelter Routine gibt es weitere Erklärungsversuche.

Der deutsche Bundestrainer Peter Rohwein will auf einem Videoband einen fast nicht möglichen Winkel zwischen seinem Unterschenkel und den Skiern festgestellt haben. „Entweder hat er keine Achillessehne oder er hat ein Scharnier im Fußgelenk“, sagt Rohwein staunend. Außerdem habe die neue Gewichtsregel, die im Sommer eingeführt wurde, den Finnen nicht betroffen. „Er hat am wenigsten umgestellt“, erklärt Rohwein.

Allerdings sind die Punktabstände zu den übrigen Springern zuletzt geringer geworden. „Es fehlt nur noch ein kleiner Punkt, dann sind wir gleich mit Ahonen“, sagte der Pole Adam Malysz. „Wir verbessern uns langsam.“ Trotzdem droht nach dem ersten Springen Langweile aufzukommen. Die deutschen Springer hüpfen wie erwartet schlecht, Martin Schmitt droht sogar der frühzeitige Ausstieg nach dem Neujahrsspringen. Der Favorit springt dagegen wie erwartet gut. Spannung verspricht am Neujahrstag nur der Fall, den Janne Ahonen zu verhindern suchen wird. Wenn er plötzlich verliert.

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